Warum ich 24 Stunden Rad fahren möchte

Seine Nachricht erreicht mich in der Redaktion. „Du, die Anmeldung ist offen, machen wir das gleich heute Abend?“ Meine Handflächen werden feucht. „Warte mal ab. Das machen wir am Wochenende, ok?“, schreibe ich zurück.

So, dann ist es jetzt wohl soweit. Seit Monaten töne ich, dass ich das 24-Stunden-Rennen in Kelheim fahre, jetzt muss zumindest die erste (richtige) Tat folgen, nach dem bisschen Rumgesportel in den letzten Monaten.

Wie immer bei solchen Zielen wächst mein Respekt, je konkreter die Sache wird. Die Anmeldung wäre sehr, sehr konkret. Deswegen klopft mein Herz immer etwas schneller, wenn ich daran denke, dass mein Name jetzt schon auf der Meldeliste stehen könnte. Was für ein beunruhigender, aufregender Gedanke.

„Machen wir das?“ hatte der beste Mann der Welt geschrieben. „Pfff“, denke ich. Das hat alles vermutlich sehr wenig mit „wir“ zu tun, schließlich muss ich selber kurbeln. Was selbstredend nicht heißt, dass man sowas ohne Unterstützung durchziehen könnte. Aber die Entscheidung für die Anmeldung und das Eintippen meiner Daten muss ich eben, wie das Rennen, auch alleine machen.

Anlaufschwierigkeiten

Zwei Wochen später steht mein Name immer noch nicht auf der Liste. Ich hab mich nicht getraut. Schon drei Mal Anlauf genommen und dann doch wieder zurückgezogen. Während einer langen Zugfahrt versuche ich, das alles noch einmal zu überdenken. Warum möchte ich denn eigentlich in Kelheim mitfahren?

Nun ja. Ich möchte etwas erleben. Etwas, das außergewöhnlich ist und das ich so nicht alle Tage mache. Ich möchte, dass diese Saison eine besondere wird. Ich möchte Spaß haben, interessante und verrückte Menschen treffen. Ich möchte mich quälen, um etwas zu schaffen, auf das ich mit Stolz zurückblicken kann. Ich möchte sehen, wie weit ich komme, wo meine Grenzen sind. Ich möchte ein Vorhaben, auf das ich hinarbeiten kann und auf das ich mich freuen kann. Ich möchte auch mal ein bisschen egoistisch sein, mein eigenes Ziel verfolgen, dessen Ausgang nur von mir abhängt. Ich möchte meinen Schweinehund besiegen und mir zeigen, was ich eigentlich drauf habe. Ich möchte sehen, wie lang ich durchhalte, wie ich mich und meine Wahrnehmung sich verändert, wenn ich am Limit bin. Ich möchte das nächtliche Spektakel am Stausacker Berg miterleben. Ich möchte sehen, wie ein 24-Stunden-Rennen so ist, wenn man nicht nur betreut, sondern selbst fährt. Ich möchte herausfinden, wie viele Nudeln ich in 24 Stunden essen kann. Ich möchte sehen, was Müdigkeit ist. Ich möchte sehen, wie es ist, die Sonne unter- und aufgehen zu sehen, während ich im Sattel sitze. Ich möchte immer weiterfahren, nie aufgeben. Und ich möchte alles aus mir herausholen.

 

Vor ein paar Tagen hab ichs übrigens geschafft. Hier findet man mich irgendwo unter „C“.

Carolyn Ott-Friesl

Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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