Ist die heftige Strafe für Femke van den Driessche gerechtfertigt?

In den letzten Jahren war ich immer wieder erschrocken, wie teilweise mehrfach überführte Doper nach unglaublich kurzer Zeit wieder im Peloton unterwegs waren. Oft wurde die Strafe verkürzt, so vorverlegt, dass wichtige Rennen nicht in die Sperre fallen oder anderweitig den überführten Betrügern entgegengekommen. Jedenfalls wurde die Sperre, mit sehr wenigen Prestige- und medienträchtigen Ausnahmen, üblicherweise auf maximal zwei Jahre begrenzt. Schließlich sollte doch jeder eine zweite, dritte oder sogar vierte Chance bekommen. Man will ja keine Existenzen zerstören wegen so einer Dopinglappalie. Und mithilfe von Betrug erlangte Titel aberkennen? Das war lange ein Tabu.

Ganz anders ist es bei Femke van den Driessche. Sie war die erste Radsportlerin, die mit „Motordoping“ erwischt wurde. Sie wurde von der Disziplinarkommission der UCI heute mit einer sechsjährigen Sperren belegt, hinzu kommt eine empfindliche Geldstrafe von 20.000 Franken, die Prozesskosten werden ihr berechnet, wichtige Titel werden ihr aberkannt. UCI-Präsident Brian Cookson spricht von einem „großen Sieg“, der gegen diese Art von Betrug errungen wurde. (rad-net.de)

Tja, da kann man nur sagen: Herzlichen Glückwunsch. Einer U23-Cyclocrossfahrerin habt ihr es so richtig gegeben. Der Radsport ist gerettet.

 

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Ganz klar: Betrug muss bestraft werden und wer sich mit unfairen Mitteln einen Vorteil verschafft, der muss mit einer Sperre rechnen und die Konsequenzen tragen.

Aber wenn eine Nachwuchsfahrerin in der Nische eines Nischensports ausgefeilte Technologie einsetzt, um zu betrügen – wie sieht es dann dort aus, wo richtig Geld zu verdienen ist? Und wie kommt es, dass es so viele Hinweise auf Motordoping im Profi-Straßenpeloton gibt, aber trotz unglaublich investigativer Untersuchungen der UCI nie etwas gefunden wird?

 

Wenn man so einen Motor jetzt bei einer Frau entdeckt hat, dann heißt das, dass das unter den Männern schon früher im Umlauf gewesen sein muss. Man hat nur nichts gefunden.

Trixi Worrack, Team Canyon-SRAM

 

Doping oder Motordoping – was ist schlimmer?

Eines ist jedoch klar, wenn es nach vielen Radsportlern und Funktionären geht: Motordoping ist böse. Sehr sehr böse. So böse, dass manche sogar lebenslange Sperren fordern für Sportler, die sich auf diese Weise einen Vorteil verschaffen wollen. Die sechsjährige Sperre für van den Driessche kommt da schon ziemlich nah ran. Für Doper werden solche hohen Strafmaß-Forderungen eher selten ausgesprochen. Was mir da nicht ganz einleuchtet: Was macht Motordoping schlimmer als Doping mit leistungssteigernden Mitteln?

Ich gebe zu, ich habe in den Jahren zu Doping eine recht pragmatische Einstellung entwickelt. Wer erwachsen ist und weiß was er tut, dem kann man nicht vorschreiben, was er sich einwirft. Meinetwegen sollen Radprofis einschmeißen, was sie wollen – mit den Konsequenzen, also einer Sperre, späteren gesundheitlichen Folgen oder wenig Anerkennung für ihre Leistungen, müssen sie jedoch danach klar kommen.

Was mich dagegen auf die Palme bringt – und das immer noch, nach so vielen Jahren Radsportbegeisterung – ist, dass wegen dieser Idioten eine Kultur geschaffen wird. Eine Kultur des Dopens, die ganz offenbar für einige Zeit so stark war, dass saubere Sportler misstrauisch beäugt wurden. Ich hoffe sehr für alle Beteiligten, dass es heute nicht mehr so ist.

Dopingkultur ist zerstörerisch

Wenn man das Problem der Dopingkultur nur ein kleines bisschen weiter denkt, landet man beim Nachwuchs. Junge Sportler sind oft sehr ehrgeizig und beeinflussbar durch ihre Idole, durch Sportler, die bereits da angekommen sind, wo der Nachwuchs hin will. Und was passiert, wenn junge Sportler in so eine Doping-Kultur hineinwachsen, hat man in den letzten Jahrzehnten zur Genüge gesehen und es wurden genügend junge Sportler zu Grabe getragen, die mit gerade einmal Anfang 20 an mysteriösen Herzproblemen verstarben.

 

SPIEGEL: Sie wurden schon mit 20 Jahren Berufsrennfahrer, jetzt sind Sie 27. Kann es sein, dass Sie abhängig geworden sind von Dopingmitteln?

Sinkewitz: Ich würde es nicht Sucht nennen. Aber es ist doch so: Wenn man als Neuprofi in ein Team kommt, trifft man auf ein System. Es wird einem als jungem Fahrer von den älteren vermittelt, wie das Geschäft läuft. Du bist ehrgeizig, trainierst gut, ernährst dich professionell und hilfst irgendwann ein bisschen nach. Es läuft immer besser, der Erfolg kommt, du wirst anerkannt, jeder hat dich gern, jeder hat dich lieb. So wird Doping normal.

Quelle: cycling4fans.de

 

Wer sollte Deiner Meinung nach strenger bestraft werden: Jemand, der Technologie nutzt und damit andere betrügt? Oder jemand, der Medikamente nutzt, damit andere betrügt und jungen Sportlern vorlebt, dass sie ihrem Körper Schaden zufügen müssen, um im Sport erfolgreich zu sein?

Carolyn Ott-Friesl

Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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Helm* - Brille* - Bluetooth-Kopfhörer* - Radsportbekleidung* - Radsportcomputer*

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