Madonna del Ghisallo – Schutzheilige der Radfahrer am Comer See

Das Klackern von Pedalplatten ist ein Geräusch, das man wohl eher nicht in einer Kirche erwarten würde. Genausowenig wie Fahrräder unter dem Kirchendach. Die Kapelle der Madonna del Ghisallo macht da aber eine Ausnahme, denn sie ist ein Wallfahrtsort speziell für Radfahrer und definitiv einen Besuch wert – auch für alle Radsportfreunde, die sich sonst vielleicht nicht so oft in einer Kirche blicken lassen. 😉

Madonna del Ghisallo - Schutzheilige der Radfahrer

Und das schreibe ich, obwohl ich mit Kirche eigentlich selbst sehr wenig am Hut habe. Aber bei dieser Kirche oberhalb des wunderhübschen Comer Sees fange sogar ich zu pilgern an. Die Madonna del Ghisallo ist nämlich nicht nur die Schutzheilige der Radfahrer/innen, sondern ist auch noch ein richtig sehenswerter Ort mit viel Radsportgeschichte.

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Schutzheilige der Radfahrer/innen

Die Madonna del Ghisallo war ursprünglich die Schutzheilige der Reisenden, bis Papst Pius XII. die Madonna zur Schutzpatronin der Radfahrenden ernannte, auf Initiative des Dorfpfarrers Pater Ermelindo Vigano. Gerade im katholisch geprägten Italien traf das ganz offenbar einen Nerv, denn sowohl Hobbyradfahrer als auch Profis pilgern seitdem zur Madonna del Ghisallo, bitten um Segen, bedanken sich für Erfolge und lassen auch den ein oder anderen Schatz zurück.

So kann man in der Kapelle die Räder von Stars wie Felice Gimondi oder dem 1995 bei der Tour de France tödlich verunglückten Fabio Casartelli betrachten. Dazu gibt es viele Fotos, Wimpel, Trophäen und Trikots von unterschiedlichsten Rennfahrern zu entdecken – also ruhig ein bisschen Zeit nehmen, um nichts zu verpassen und sich alles genau anzusehen. Im Inneren der 1623 erbauten Kirche brennt außerdem eine ewige Flamme für die toten Radfahrer/innen.

Eingang zur Madonna del Ghisallo
Madonna del Ghisallo - Altar

Ghisallo Pass über dem Comer See

Die Madonna del Ghisallo liegt direkt am Ghisallo-Pass, der liegt auf der Halbinsel des Comer See zwischen Como und Lecco. Man kann ihn von zwei Seiten befahren – einmal die „Profivariante“, die von Bellagio direkt am See bis zu 14% steil hinauf führt und auch regelmäßig Teil der Lombardei-Rundfahrt ist, dem letzten Klassiker der Profisaison. Und dann gibt es noch die weniger anspruchsvolle Variante, die über Asso zwar lang, aber weniger steil ist.

Der Ort, in dem die Radler-Kirche steht, heißt Magreglio, und sogar der Straßenname hat Radsportbezug: Die Adresse lautet „Via Gino Bartali“ – benannt nach dem italienischen Tour- und Girosieger, der trotz Weltkrieg nicht nur große Radsporterfolge eingefahren hat, sondern auch menschlich Größe bewies, indem er bei der Rettung verfolgter Juden während des Zweiten Weltkriegs half.

Radfahrer aus aller Welt

Wer sich der Kirche nähert, erahnt gleich, dass hier ein paar Dinge anders laufen als sonst. Statt Parkplätzen für Autos gibt es direkt vor der Kirche eine Batterie an Fahrradständern, die stets gut gefüllt ist. Neben der Kirche findet sich eine große Statue mit einem jubelnden und einem gestürzten Radfahrer, außerdem Büsten mit einigen der bekanntesten Radrennfahrer wie Alfredo Binda oder Fausto Coppi.

Büsten vor der Madonna del Ghisallo
Radfahrer Statue vor der Madonna del Ghisallo

Bei unserem Besuch war es ein stetiger Strom an Radfahrern, der bei der Kapelle ankam. Ein Gewirr aus englisch, niederländisch, französisch und natürlich italienisch war zu hören – das war auch nur zwei Tage vor der Lombardei-Rundfahrt, von daher haben bestimmt viele internationale Fans die Gelegenheit genutzt, um der Madonna einen Besuch abzustatten.

Radsportmuseum Madonna del Ghisallo

Um alle Schätze unterzubringen, die Radsportler der Madonna del Ghisallo widmen, gibt es seit 2006 neben der Kirche ein Radsportmuseum, in dem die technische Weiterentwicklung des Fahrrads, die Lebensgeschichten spannender Persönlichkeiten und einiges zur Geschichte der großen italienischen Radrennen gezeigt wird. Papst Benedikt XVI. persönlich setzte den Schlussstein für das Museum – also auch das ein Ort mit ganz speziellem Segen. Wer mit dem Rad anreist und das Museum besichtigen möchte, sollte am besten ein Schloss für’s Rad mitnehmen und sechs Euro Eintritt pro Person dabeihaben (Stand Oktober 2019).

Museo del Ciclismo - Radsportmuseum Ghisallo
Das Radsportmuseum neben der Kapelle der Madonna del Ghisallo

Unsere Radtour ab Bergamo zur Madonna del Ghisallo

Der beste Mann der Welt und ich hatten unsere Unterkunft nordwestlich von Bergamo. Wir ließen den Monte Crucione rechts liegen und radelten über Eupilio in den „sanfteren“ Anstieg Richtung Magreglio.

Wir entdeckten einen tollen Radweg entlang der Ostseite des Lago del Segrino, mit zwei autofreien, flachen Kilometern. Ab der Ortschaft Asso ging es dann zur Sache: Ab hier geht es für knapp 10 Kilometer mit öfter mal bis zu 10% berghoch – so ganz harmlos ist diese Seite also auch nicht 😉 Am Ortseingang von Barni gibt es einen Brunnen, an dem wir uns mit Wasser versorgten, bevor es auf die letzten knackigen Kilometer ging.

Lago del Segrino
Lago del Segrino
Anstieg nach Ghisallo

Oben bei der Madonna angekommen, genossen wir neben dem religiösen Kulturprogramm auch den tollen Ausblick auf den Comer See, intensiv blaues Wasser eingefasst von den schroffen Bergen – da kann man schon mal eine Weile gucken. Auch auf der rasanten, kurvigen Abfahrt nach Bellagio lohnt es sich, mal links und rechts zu schauen.

Abfahrt nach Bellagio
Abfahrt nach Bellagio

Wir wählten die östliche Seestraße Richtung Lecco, um wieder zurück zum Ausgangspunkt zu gelangen. Die Straße ist wunderschön zu fahren, immer nah am See entlang und damit mit tollem Ausblick. Nur bei viel Verkehr kann’s hier stressig werden. Die bei Komoot eingezeichneten Anstiege kurz vor Lecco waren aber keine Anstiege, sondern zwei Tunnel, auf die wir nicht ganz vorbereitet waren. Deswegen sind wir mit schwächlichem Blinklicht und maximaler Geschwindigkeit durchgerauscht – und auch, wenn uns die einheimischen Radler alle ohne Licht entgegenkamen: nehmt ein gescheites Licht mit, falls ihr die Tour so ähnlich nachfahren möchtet.

Im Berufsverkehr von Lecco waren wir hin und wieder ein bisschen verloren – aber letztendlich haben wir es doch noch gut ins Hotel geschafft nach 120 Kilomtern und ca. 1200 Höhenmetern.

Ausblick Comer See Bellagio
Toller Ausblick, tolles Rad <3

Ein Ausflug, der sich auf jeden Fall gelohnt hat, obwohl ich sonst eher Abstand zu allem Heiligen halte 😉 Wer in der Gegend ist, sollte vorbeiradeln – und wer vom Kraxeln nicht genug bekommt, der kann auch noch die nahe gelegene Muro die Sormano („Mauer von Sormano“) in die Tour einbauen: Knapp zwei Kilometer mit durchschnittlich 17% und maximal 25% – viel Spaß! 😛


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Carolyn Ott-Friesl

Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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Helm* - Brille* - Bluetooth-Kopfhörer* - Radsportbekleidung* - Radsportcomputer*

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