Radsport und Beziehung: Mit dem Einklicken begann der Krieg

Wir turtelten ausgiebig, bevor wir uns auf die erste gemeinsame Radtour begaben. Unsere Beziehung schien perfekt zu sein, schließlich teilten wir die Leidenschaft für den Radsport.

Es war August, die Sonne funkelte wohlwollend auf uns frisch Verliebte herab. Gut, ich war vorher schon etwas nervös. Zwar fuhr ich da auch schon ein paar Jahre Rennrad, aber mein Schatz war ein echter Rennfahrer. Einer von denen, die dieses Talent haben, sowohl zu fahren als auch zu leiden. Er hatte allein im vergangenen Winter 9.000 Kilometer abgespult, stand nach diversen Rennen voll im Saft, fuhr seine Grundlagenausdauer weit jenseits der 30 km/h. Special skill: Bergzeitfahren.

Und mit dieser Rennmaschine sollte ich nun die nächsten zwei Stunden Rad fahren gehen. „Aber nicht zu schnell, ok?“, fragte ich am Vorabend noch. „Nein, natürlich nicht. Ich pass‘ doch auf dich auf“, sagte er liebevoll.

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Radsport und Beziehung Tipps

Dankbarkeit, Liebe und Laktat

Die ersten Meter unserer Tour rollten wir dahin, das Tempo war für mich zügig, aber durchzuhalten. Als wir in den ersten Anstieg fuhren, hatte ich immer noch Herzchen in den Augen und sah meinem Helden bewundernd zu, wie mühelos er das Rad bewegte. Allerdings bewegte er es immer weiter weg von mir, denn mühelos war das bei mir lange nicht mehr.

Schwer atmend rief ich irgendwas mit „Mach mal langsamer!“ und versuchte irgendwie, ihn in Sichtweite zu halten. Ich kam nach einigen hundert Metern wieder ran an sein Hinterrad. Er blickte sich um, sah, dass ich wieder da war – und beschleunigte. Zack, ich musste wieder reißen lassen. Ich fing an, an mir zu zweifeln. Bin ich so schlecht? Überschätzt er mich komplett?

Er blickte sich wieder um, jetzt schon einige hundert Meter voraus, und ließ sich wieder zu mir zurückfallen. Ich war voller Dankbarkeit, Liebe und Laktat. Bald fuhr ich wieder in seinem direkten Windschatten. Doch sobald er merkte, dass ich dran war, gab er wieder Gas und ließ mich stehen. Das Spiel wiederholte sich noch zwei Mal und meine grenzenlose Liebe wurde langsam aber sicher von sehr dringenden Mordgelüsten verdrängt.


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Radsport und Beziehung: Nächstes Mal wird alles anders!

Ich kochte innerlich. Wieder zuhause angekommen, stellte ich ihn zur Rede. Was das soll und überhaupt, was dachte er sich dabei? „Oh, sorry, ich hab gar nicht gemerkt, dass du so am Limit warst. Beim nächsten Mal wird das anders!“

Wie sich die meisten Pärchen mit Radsporthintergrund jetzt denken können: Natürlich wurde nichts anders. Wir starteten über die Jahre gut gelaunt zu sehr vielen Touren, darunter eine Alpenüberquerung, nur um in tiefstem Frust wieder zurück zu kehren. Unterschiedliches Tempo, unterschiedliche Vorstellungen, schwelende Konflikte, die dann beim kleinsten Auslöser auf dem Rad ausbrachen.

Wir brauchten echt lange, bis wir auf dem Rad so harmonierten, wie wir das eigentlich auch im Alltag tun. Wie sich herausstellte, war uns beiden für lange Zeit gar nicht bewusst, was den anderen auf die Palme und an die Grenzen brachte.

Wenn Ihr also beide Radfahrer seid oder du willst, dass dein/e Partner/in mit dem Radfahren anfängt, stay calm and beherzige ein paar Tipps:


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1. Nein. Dein Partner ist nicht begeistert, wenn du ihm oder ihr bei jeder Ausfahrt so richtig die Grenzen aufzeigst.

Es ist ganz toll, dass du dieses Wahnsinnstempo anschlagen kannst, mit dem du alle während der Vereinsausfahrt abschüttelst. Und du kannst dir sicher sein, dass dein/e Partner/in bewundernd zu dir aufblickt, weil du das kannst. Allerdings reicht dafür, da spreche ich aus Erfahrung, schon das Bewusstsein, dass du es könntest. Du musst es deswegen gar nicht bei jeder Ausfahrt machen!

2. Sieh die Ausfahrten mit deinem Partner anfangs nicht als Training an. Und schon gar nicht als Wettkampf!

„Schatz, wir müssen schneller fahren, mein Puls fällt gerade unter den GA1-Bereich, da ist mein Training nicht mehr effektiv“, sagst du, während dein/e Trainingspartner/in bereits aus dem letzten Loch pfeift, was du gar nicht verstehst. Gerade, wenn der/die Partner/in gerade erst mit dem Radfahren angefangen hat, ist sowas ein echter Motivationskiller.

Falls du also weiterhin mit der besseren Hälfte fahren möchtest, mach dein Training wann anders! Fahr vorher oder nachher noch eine trainingseffektive Runde, aber passe dich dem Tempo des Schwächeren an, wenn ihr zusammen unterwegs seid. So besteht zumindest die Möglichkeit, dass das Training zusammen auch irgendwann mal effektiv wird und das neue Rennrad nicht gleich nach zwei Ausfahrten auf Ebay landet.

3. Zeige (zumindest manchmal) Verständnis für schlechte Beine, wenig Motivation oder auch vernünftige Einwände.

Ja, du könntest jede freie Minute auf dem Rad sitzen. Egal, ob es stürmt, schneit oder deine Beine sich wie Blei anfühlen, du schwingst dich ohne Skrupel rauf aufs Rad. Deine Motivation ist grenzenlos. Was man dabei manchmal vergisst: Das ist gar nicht bei allen so! Deswegen: nicht gleich sauer werden, wenn der Schneesturm nicht als MTB-Abenteuer und die 150-km-3-Pässe-Alpentour nicht als ultrasupertolle Herausforderung angesehen wird. Es soll tatsächlich Genussfahrer geben, die nicht bei jeder Radtour Eisengeschmack im Mund brauchen oder bei Regenwetter das Rad einfach stehen lassen.

4. Sei selbstständig bzw. sorge dafür, dass dein/e Partner/in selbstständig wird!

Das Rad aus dem Keller tragen, den platten Schlauch wechseln oder mal eine Strecke planen. Alles Dinge, für die keine Zauberei notwendig ist. Du musst sie deiner/m noch nicht ganz so erfahrenen Partner/in deswegen gar nicht abnehmen, sondern höchstens anfangs Hilfestellung leisten. Je besser man sich in einem Thema auskennt, desto sicherer wird man – und desto eher kann dann auch Begeisterung entstehen. Und wenn man weiß, wie ein Schlauch gewechselt wird, traut man sich auch mal, allein auf Tour zu gehen. Denn…

5. Man muss gar nicht alles zusammen machen.

Klingt vor allem am Anfang einer Beziehung komisch. Ist aber so! Wenn der eine heute drei Alpenpässe fahren will, der andere dafür  zweimal um die Siedlung, dann ist das eben so. Morgen kann man dann wieder zusammen fahren, dafür hat heute jeder seinen Willen bekommen und keiner musste zurückstecken. Deshalb sollte sich immer die Fähigkeit bewahrt werden, sich auch allein zu motivieren. Und vor allem sollte der Haussegen nicht schief hängen, wenn einer mal sein eigenes Ding machen möchte.

6. „Tempomäßig in der Mitte treffen“ funktioniert normalerweise nicht.

Mit Windschatten kann man schon das ein oder andere km/h herausholen. Aber wenn der Tempounterschied zu groß ist, dann bringt selbst der beste Windschatten nix mehr. Und manchmal will man auch gar nicht im Windschatten hinterher hetzen. Langsamer fahren ist üblicherweise kein Problem, schneller fahren dagegen schon. Damit sollte klar sein, wer sich anpasst.

7. Tief durchatmen und schwelende Konflikte nicht auf dem Rad ausfechten.

„Immer fährst du zu schnell!“ – „Nie strengst du dich auch nur ein bisschen an!“ – „Und überhaupt hast du den Abwasch wieder nicht gemacht…“
Verallgemeinerungen helfen niemandem. In keiner Situation. Auch, wenn sie schon wieder davon fährt und er schon wieder Kaffee trinken möchte. Ruhig bleiben, weiterkurbeln, ganz entspannt darüber reden, sobald ihr zuhause seid.

8. Pausen zur richtigen Zeit können Leben retten.

Jeder fährt den Berg im eigenen Tempo hoch. Einer ist schneller, der andere langsamer. In dem Moment, in dem der Langsamere oben ankommt, fährt der Schnellere nach entspannter Pause wieder los. Zack, Beziehungstat. Und nein, ein „du bist doch jetzt eh ausgeruht, weil du so langsam hochgefahren bist“ vom Schnelleren hilft auch nicht. Ehrlich. Lieber ein bisschen Zeit zum Verschnaufen geben, fragen, obs wieder geht und dann weiterfahren. Lebenretten leicht gemacht.

9. Plane realistische Strecken.

„Also dieser Pass, der ist echt schön, den sollten wir morgen schon noch mitnehmen. Das ist dann zwar insgesamt eine Tagestour von 245 Kilometern, aber du bist ja neulich sogar unsere 30-km-Hausrunde ganz allein gefahren, das schaffst du schon!“ So manch schöne Route muss man eben wann anders fahren. Allein.

10. Kommunikation!

Reden hilft, so gut wie immer. Ernsthaft, probierts aus. It’s amazing!


Inzwischen ist es übrigens entspannter geworden bei uns. Er fährt aktuell keine Rennen und ich trainiere dafür etwas mehr für das 24-Stunden-Rennen im Juli. Wenn wir zusammen fahren, dann so, dass jeder sich wohl fühlt und keiner ein Rennen fahren muss. Und wenn er mal wieder das Bedürfnis hat, mich abzuschütteln, bleibe ich – zumindest viel länger als früher – dran an seinem Hinterrad. Oder ich lasse ihn einfach fahren, sammle ihn dann später wieder ein und versäge ihn dann beim Schlusssprint. 😉


Was sind Eure Erfahrungen zum Thema Radsport und Beziehung? Fährt Euer Partner Rad und fahrt Ihr zusammen?


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Carolyn Ott-Friesl

Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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Helm* - Brille* - Bluetooth-Kopfhörer* - Radsportbekleidung* - Radsportcomputer*

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