Jan Ullrich ist ganz sicher kein Heiliger – er hat gedopt, er hat auch darüber hinaus richtig viel Mist gebaut. Aber er hat auch dafür gesorgt, dass Deutschland mal kurz eine richtige Radsportnation war und hat richtig viele Menschen zum Radsport gebracht.
So wie mich. 1997 war ich acht Jahre alt und fand Jan Ullrich super. So super, dass ich meinen Eltern damit ziemlich auf die Nerven ging – aber mein Vater war selbst schuld, schließlich schaute er die Tour-Übertragung immer mit mir zusammen.
Inhalt:
Mit dem Toursieg fing also damals alles an bei mir mit diesem Radsportfimmel – und letztendlich gibt es auch genau deswegen heute diesen Blog, deswegen hüpfe ich seit fast 20 Jahren auf Radrennen herum und deswegen habe ich den besten Mann der Welt bei einem Lizenzrennen in der bayerischen Provinz kennengelernt. Jan Ullrich hatte also irgendwie ganz schön viel Einfluss auf mein Leben, ob ich das möchte oder nicht.
Und ich bin damit nicht alleine. Bei vielen Menschen im Radsport fing mit ihm alles an. Nicht zuletzt wohl auch bei den meisten (älteren *hüstel*) heutigen deutschen Radprofis.
Radsport war mal richtig groß in Deutschland
Heute kann man sich gar nicht mehr vorstellen, wie populär Radsport hierzulande einmal war. Deutschland hatte mehrere, volksfestartige Profirundfahrten (Bayernrundfahrt, ich vermisse Dich!), Sechstagerennen waren gutbesuchte Events (Sixdays München, kommt zurück!) und im Sportteil kam Radsport direkt nach dem Fußball.
Und die Begeisterung war vor allem wegen ihm so groß: Diesem rothaarigen Jungen mit dem schönen Tritt, dem eine glänzende Zukunft mit vielen Toursiegen prophezeit wurde.
Wie wir alle wissen, hatte Jan Ullrich mit vielen Podiumsplätzen bei der Tour de France, einem Olympiasieg und einem Weltmeistertitel tatsächlich auf dem Papier eine ganz gute Karriere (wenn man mal vom Doping absieht). Aber die Tour konnte er nach 1997 nie wieder gewinnen. Und so wurde er ganz am Anfang seiner Karriere so in den Himmel gelobt, dass es eigentlich nur noch bergab gehen konnte und dann leider in der Katastrophe endete. Und rückblickend bleiben vor allem zwei Dinge im Kopf: Lance Armstrong war am Ende doch immer besser und natürlich die Fuentes-Geschichte inklusive katastrophalem Karriereende.
Zum 25-jährigen Jubiläum von Jan Ullrichs Sieg bei der Tour de France kann man die Erinnerung mit einer Doku, einem Podcast und Büchern noch einmal auffrischen – und sich nochmal ein Bild von diesem Mann machen, der Deutschland erst den Kopf verdrehte und sich dann alle Gunst verspielte und auch dem Radsport in Deutschland wieder die Luft nahm. Darüber hinaus habe ich Euch auch ältere Medien hier gesammelt – falls Ihr nochmal richtig tief eintauchen wollt.
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Dokumentationen über Jan Ullrich
+++ Update +++
„Jan Ullrich – Der Gejagte“ (Amazon Prime 2023)
Über Jan Ullrich wurde viel geredet, gesendet und geschrieben – und in der neuen Doku auf Amazon Prime spricht er nun selbst. In vier Folgen wird sein Weg nachgezeichnet von der Kindheit über den Toursieg bis zum großen, öffentlichkeitsträchtigen Absturz. Zum ersten Mal gibt Jan Ullrich selbst Doping explizit zu.
„Being Jan Ullrich“ (ARD, 2022)
In fünf Folgen zeichnen Ole Zeisler und Uli Fritz die Höhen und Tiefen in der Karriere und im Leben Jan Ullrichs nach. Eine so ausführliche Auseinandersetzung mit dem einzigen deutschen Toursieger gibt es bisher meines Wissens noch nicht und lohnt sich sicherlich auch für alte Radsporthasen – und wenn es nur zum Eintauchen in die Vergangenheit ist.
Ich fand es spannend, wie tief sich die alten Bilder in meinen Kopf gebrannt haben. Ich weiß immer noch genau, wann Lance Armstrong an dem Beutel des Zuschauers hängenbleibt und habe die Bilder von Ullrichs Einbruch bei der Tour 1998 so genau vor Augen.
Wegbegleiter wie Lance Armstrong, Peter Becker, Udo Bölts oder Rolf Aldag teilen ihre Sicht – Jan Ullrich selbst kommt leider nicht zu Wort. So bleibt es bei der Außensicht auf den Aufstieg und den Fall mit einigen Originaltönen von früher. Jan Ullrich hat sich aber auf Instagram kurz dazu geäußert.
Die Doku gibt es in der ARD-Mediathek und auf Youtube sowie am 2. Juli um 17:20 Uhr in der ARD.
„Deutschland. (K)ein Sommermärchen – Die Tour de France 1997“ (NDR, 2020)
„Jan Ullrich – Licht und Schatten“ (Arte, 2004)
Podcast „Jan Ullrich – Held auf Zeit“ (NDR, 2022)
Auch im Podcast „Jan Ullrich – Held auf Zeit“ erzählt Moritz Cassalette die ganze Geschichte in sieben Etappen – beginnend mit der Katastrophe und endend mit einem berührenden, klitzekleinen Happy End. Auch hier kommen die Weggefährten aus „Being Jan Ullrich“ zu Wort. Das Schöne ist hier aber: Ihnen wird mehr Raum gelassen zum Erzählen. Somit ist der Podcast fast noch tiefgreifender als die Dokumentation „Being Jan Ullrich“ und lohnt sich auf jeden Fall auch zusätzlich anzuhören.
Bücher über Jan Ullrich
Daniel Friebe: „Jan Ullrich – the best there never was“ (2022)
Sebastian Moll: „Ulle: Jan Ullrich. Geschichte eines tragischen Helden“ (2022)
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Carolyn Ott-Friesl
Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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