Wie sollen wir mit Hetze umgehen?

Ich habe keine Lust mehr. Ich habe keine Lust mehr darauf, dass extrem rechte Meinungen immer salonfĂ€higer werden und die Hemmschwelle immer weiter sinkt. Dass die AfD die Grenze des Sag- und Denkbaren immer weiter verschiebt und bei brennenden Asylbewerberheimen im Stillen anerkennend genickt oder gar gejubelt wird. Dass Beleidigungen als Meinung abgetan und Unwahrheiten zum Fakt werden, wenn es ins Weltbild passt. Und dann sogar noch fĂŒr VerstĂ€ndnis fĂŒr die „Besorgten“ geworben wird und die Parteien sich im Anbiedern an die AfD gegenseitig ĂŒberbieten und so den Kurs nach rechts weiter zementieren. Und das, obwohl inzwischen jedem klar sein sollte, wohin die Reise der AfD gehen soll – nĂ€mlich zum „vollstĂ€ndigen Sieg„. Im „richtigen“ Land, Wirtschaftssystem, Sozial- oder Bildungssystem geboren zu werden wird jetzt wieder zur Leistung und rechtfertigt, auf andere Menschen herabzuschauen und nicht zu helfen?

Es ist eine Minderheit, die glaubt, sie sei die Mehrheit, nur weil sie lauter schreit als alle anderen. Die denkt, dass sie „aufgewacht“ und klĂŒger als alle anderen sei, aber in Wahrheit nur dem angstmachenden Wolf im Schafspelz folgt, der verspricht, dass alles viel besser wird, solange man andere Menschen nur genĂŒgend hasst und einschĂŒchtert. Mich nervt das unglaublich und es macht mir Angst, deswegen halte ich es fĂŒr wichtig, dass wir uns wehren gegen diese laute Minderheit. Und zwar genau da, wo wir sind und dort, wo wir Einfluss haben – auch auf vermeintlich unpolitischem Terrain wie dem Sport.

 

„Die einzige Heimat, die fĂŒr mich zĂ€hlt, ist das zivilisierte Benehmen.“

Peter Ustinov

 

Wie sollen wir mit Hetze umgehen?

Der ehemalige Vize-PrĂ€sident des Bundes Deutscher Radfahrer Peter Streng verbreitete auf seinem privaten Facebook-Profil rechte Hetzseiten. Manfred Schwarz, bis vor wenigen Monaten verantwortlich fĂŒr die Außendarstellung des Verbands, unterhielt einen „privat-persönlichen politischen“ Emailverteiler, in dem er ungefragt auch Verbandskontakten Meldungen ĂŒber AuslĂ€nderkriminalitĂ€t zukommen ließ.  Die beiden PrĂ€sidiumsmitglieder sind von ihren Ämtern zurĂŒckgetreten. Was meiner Ansicht nach – wenn auch verspĂ€tet und auf großen Druck von außen erfolgt – der völlig korrekte Schritt ist. Denn Menschen mit so einer extremen und intoleranten Weltsicht haben in einem Verband, der „Fairness, Respekt, Wettbewerb“ auf die Fahnen geschrieben hat, nichts im PrĂ€sidium zu suchen.

Im November rappelte es auch in meiner Rosenheimer „Nachbarschaft“, bei Corratec, dem Fahrradhersteller aus Raubling. Dort ist ein Mitglied der GeschĂ€ftsleitung ebenfalls auf seinem Facebook-Profil auf ganz schwierigen Wegen unterwegs, wie MTB-News berichtete. Die Redaktion musste viel Kritik einstecken, dass Sport doch nichts mit Politik zu tun hĂ€tte. Meiner Meinung nach hĂ€tte MTB-News in diesem Fall tatsĂ€chlich etwas weniger effektheischend vorgehen und die Beteiligten stĂ€rker einbeziehen können. Die Vorgehensweise ist auf jeden Fall diskutabel. Aber dass auf einem Sportportal nicht ĂŒber Hetze innerhalb des eigenen Themengebiets berichtet werden soll, diese Ansicht kann ich keineswegs teilen.

Wie soll man nun damit umgehen, wenn in der unmittelbaren Umgebung oder auf prominenter Position gehetzt wird? Soll man einfach wegschauen und Privatmeinung Privatmeinung sein lassen? Soll man auf die Personen persönlich zugehen? Oder sollte man das tatsÀchlich öffentlich machen?

Hetze ist öffentlich, Gegenrede muss es auch sein

Meine Meinung ist, dass wir die Gegenrede öffentlich machen und das GesprĂ€ch suchen mĂŒssen. Das war auch der einzige Vorsatz, den ich fĂŒr das neue Jahr gefasst habe: Hetze und Hass nicht einfach unkommentiert stehen zu lassen.  Warum sollen wir die Öffentlichkeit dem Hass ĂŒberlassen? Jeder Artikel ĂŒber FlĂŒchtlinge oder Merkel oder sonstige Feindbilder des rechten Rands wird sofort von Beleidigungen und HĂ€me in den Kommentaren geflutet. Auf Facebook bleiben die Meinungen unter sich, Gegenrede ist den meisten zu anstrengend. Das gibt denen den Eindruck, mehr zu sein als sie sind.

Sport ist im besten Fall ein Bereich, in dem Menschen zusammenfinden sollen. Der freundschaftliche Wettstreit soll niemandem beweisen, welche Nation oder gar Rasse die bessere ist, sondern soll die Besten hervor- und Menschen zusammenbringen, inspirieren und motivieren. So möchte ich Sport leben und dafĂŒr erhebe ich auch meine Stimme. Und ich hoffe sehr, dass ich damit nicht alleine bin.

Keine Frage: Radsport ist Breitensport, also ist es ganz normal, dass auch hier das volle Meinungsspektrum abgebildet ist. Aber lasst uns doch dafĂŒr sorgen, dass Anstand und Toleranz in unserer Gesellschaft wieder wahrnehmbarer werden. UnterstĂŒtzt Initiativen, die diese Werte hochhalten, wie Bikeygees, die vielen „FahrrĂ€der fĂŒr FlĂŒchtlinge„-Projekte oder engagiert Euch und kĂŒmmert Euch um den Nachwuchs in Eurem Radverein. Sich Menschen zuzuwenden hilft, einander zu verstehen und Vorurteile abzubauen. Sprecht Menschen in Eurem Umfeld an, die Hass verbreiten. ÜberprĂŒft und widerlegt allzu krude Äußerungen und bleibt differenzierend statt verallgemeinernd. Hinterfragt, Ă€ußert Euch und zeigt, dass es auch anders geht. Damit wir spĂ€ter nicht sagen mĂŒssen, wir hĂ€tten den Hetzern unsere offene Gesellschaft ohne Gegenwehr ĂŒberlassen.

 


 

Collage Titelbild: Tour-Magazin, Coffee&Chainrings, MTB-News, Unterlenker, Winkelsicht, Ruhrbarone

Carolyn Ott-Friesl

Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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Meine AusrĂŒstung:
Helm* - Brille* - Bluetooth-Kopfhörer* - Radsportbekleidung* - Radsportcomputer*