Diese Frage gehört zum Rennradfahren wie das „Sein oder nicht sein“ zu Hamlet. Wir alle mussten sie sicherlich schon einmal beantworten oder haben sie uns vielleicht sogar selbst anfangs gestellt. Was trĂ€gt man eigentlich unter einer Radhose? Das ist doch ganz klar, schnaubt der erfahrene Rennradler. Was fĂŒr eine Frage! Ein kleines bisschen nachdenken, dann sollte doch jeder selbst auf die Lösung kommen. Also wirklich, dass die Menschen das immer noch nicht verstanden haben.
Bei diesen vielen Kilometern, die wir auf unserem Sattel verbringen, den vielen Abenteuern, die wir auf dem Fahrrad erleben, was könnte da nĂ€her liegen? Was sollte sonst unter der Radhose sein? Die Antwort ist ganz simpel und dann doch wieder nicht. Sie wirft sogar philosophische Fragen auf – was stellen wir uns vor, was da ist? Ist es immer noch da, obwohl wir es nicht sehen? Ist es nur da, wenn wir dran denken, wenn wir uns bewusst sind, dass es da ist? Denn zwischen Radhose und Körper, ja, da ist beim erfahrenen Rennradler normalerweise – nichts. Nichts? Genau. Nichts.
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Das könnte ein Schock fĂŒr manche sein. SchlieĂlich ist das eine Stoffschicht weniger, als uns normalerweise im Alltag voneinander trennt. Und manchmal sind diese Radhosen ja auch so gedehnt ĂŒber den muskulösen Astralkörpern oder wurden in langen, kilometerreichen Radsaisons viel gefahren, viel gewaschen, sodass, nunja, sodass man bei dem, was man da schemenhaft sieht, sich lieber nicht vorstellen möchte, dass gar nichts sonst drunter ist auĂer dem, was uns von Geburt gegeben war. (Tja. Sorry. Das ist wirklich keine Unterhose im Look einer Pofalte. An dieser Stelle: ein PlĂ€doyer fĂŒr mehr Radhosen-NeukĂ€ufe!)
Warum gerade nichts?
Man könnte diesen Umstand natĂŒrlich ausschlieĂlich praktisch begrĂŒnden. SchlieĂlich tun das auch die meisten. Eine Radhose ist ja perfekt an den menschlichen Po angepasst, heiĂt es da. Jede Unterhose wĂŒrde da nur unnötig scheuern, gerade im Zusammenspiel mit SchweiĂ. Nicht auszudenken, wenn da irgendwelche NĂ€hte herumrutschten zwischen Hose und Haut – ich sage Euch, das wollt Ihr nicht. Nach einigen Stunden ist jede Delle im Polster fĂŒhlbar, da ist man froh um alles, was eben nicht da ist.
Zudem hat das auch noch ganz andere Vorteile. Sportler haben oft ein WĂ€sche-Problem – bei vier bis fĂŒnf Trainings pro Woche geht im besten Fall immer eine Vollausstattung an Rennradbekleidung in den WĂ€schekorb pro Fahrt. Das sind Mengen! Dazu oftmals olfaktorisch herausfordernd. Da ist man froh um jedes Teil, das nicht da ist.
Allerdings glaube ich nicht, dass das die einzigen GrĂŒnde sind. Vielmehr kann man hieraus zum Einen eine gewisse ExklusivitĂ€t ableiten. Das ist ein bisschen wie mit den rasierten Beinen: Der gemeinen Hobbywanze bringen rasierte Beine recht wenig. Klar, bei einem Sturz können damit weniger dreckige Haare in die Wunde hĂ€ngen, das Risiko einer HaarwurzelentzĂŒndung beim Massieren wird verringert. Aber ganz ehrlich? Wir tun das doch alles nur, um zu zeigen: Wir sind die echten Rennfahrer. Wir wissen wie es funktioniert und wir können die belĂ€cheln, die es nicht wissen. Bei 20-Kilometer-Runden kann auch eine Unterhose also recht wenig kaputt machen. Aber allein das Bewusstsein, dass man sich so anzieht, dass man auch 200 Kilometer fahren könnte, wenn man nur wollte – das ist das, was wir mit dem Nichts bezwecken: dieses GefĂŒhl der Ăberlegenheit und des „Ich könnte, wenn ich nur wollte“.
Das Nichts – ein Symbol fĂŒr die Freiheit?
Aber lasst uns noch ein bisschen weiter ausholen. Vielleicht bedeutet das Nichts auch noch viel mehr und kann als Symbol dienen fĂŒr das, was wir beim Radfahren erleben möchten und in guten Momenten tatsĂ€chlich erleben. Frei sein, unabhĂ€ngig, nicht gebunden an feste Vorgaben. Was könnte das besser symbolisieren als das Nichts, das wir unter der Radhose umherfahren? Ganz ohne enge, einzwĂ€ngende Unterhose – diesem Symbol des Konservativismus und der Angst vor der Nacktheit.
Von unserer Umwelt trennt uns auf dem Rad nur Polster und Funktionsstoff, der ultraflexibel, po-angepasst und im allerbesten Falle nicht komplett unvorteilhaft ist fĂŒr uns mehr oder minder fitte Hobbyradler. Viel weniger Stoff geht eigentlich gar nicht im Alltag und im StraĂenverkehr. Beinahe absolute Freiheit. Ja, das wird es sein.
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Carolyn Ott-Friesl
Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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Meine AusrĂŒstung:
Helm* - Brille* - Bluetooth-Kopfhörer* - Radsportbekleidung* - Radsportcomputer*
7 Gedanken zu “Unter der Radhose: Von Sitzpolstern, Philosophie und Freiheit”
Ich spreche aus Erfahrung, auch auf einer 20-km-Runde kann eine Unterhose unter der Radhose (AnfÀngerfehler) SEHR unangenehm sein.
Wir Mountainbiker haben allerdings den Ă€sthetischen Vorteil, dass wir nicht alles sehn mĂŒssen was Gott so schuf, da wir meist eine Baggy drĂŒber tragen đ
Ja,es gibt bei uns auch die Sportfraktion ohne Baggy. Aber die rasieren sich ja auch die Beine.. :-p
im Winter wird es mit „nichts“ etwas schwieriger. Oder was trĂ€gt der Profi-Radler bei 3°C unter der normalen kurzen Hose noch? Reichen lange Beinlinge?
Was gibt es Schöneres als diese eine Sekunde beim Anziehen, wo das dick mit Sitzcreme bestrichene Sitzleder die Haut deines Allerwertesten berĂŒhrt und die enthaltenen Ă€therischen Ăle fĂŒr diese unbeschreibliche KĂŒhle sorgt?
Ich fahre gerne an die 10T km im Jahr – aber nie ohne Unterhose. NatĂŒrlich keine gewöhnliche, sondern sportliche Modelle aus Polyester und Elasthan. Dann stören die NĂ€hte der Radhose noch weniger. Und genau wie die Kollegen mit der Pofalte hoffe ich, dass meine Unterhose niemand sieht đ
Hier noch eine Variante: Neulich in einem Forum fĂŒr rennradfahrende Frauen die durchaus ernstgemeinte Frage nach dem Fahren ohne alles. Es gibt wohl eine durchaus Leute, die das bringen. Und die Diskussion dazu war auch interessant. Ich persönlich finde die Vorstellung schwierig. Allerdings fand ich die Vorstellung anfangs auch schwierig ohne Unterhose zu fahren đ