Rennrad, Rucksack, Regenschauer: Alpen-Mehrtagestour mit Hindernissen

Wir werden ja nie zu den Menschen gehören, die irgendwo einen Frühbucherrabatt bekommen. Aber diesmal sind wir richtig spät dran: Der beste Mann der Welt und ich haben beide eine Woche Urlaub und haben zum Feierabend des letzten Vor-Urlaubs-Arbeitstages noch keine Ahnung, was wir tun sollen. Klar ist nur: Wir wollen Radfahren, vielleicht in den Bergen, vielleicht in Südtirol, der Stelvio wäre doch nett, mal sehen.

Im Hinterkopf ist noch die Eurobike. Aber vier Stunden hin, vier Stunden zurück und ein langer Messetag dazwischen, hm, hm. Trotz der zu erwartenden äußerst netten Gesellschaft hab ich da nicht so viel Lust drauf, mein Trek Émonda ist da schon deutlich verführerischer. Also kurz das Wetter gecheckt, sieht gut aus. Die Packliste von unserer Alpenüberquerung rausgekramt und angewendet. Mögliche Strecken und Unterkünfte abgecheckt. Und dann kanns auch schon losgehen.

Der Plan

Vier Tage wollen wir unterwegs sein, vielleicht auch fünf, mal sehen. Die erste Etappe ist eigentlich schon fix: Ich habe noch einen Hüttengutschein zu verbraten, das bedeutet, wir brauchen eine Hütte, die mit dem Rennrad erreichbar ist. Hallo Oberlandhütte, Du bist die einzige Unterkunft, die dieses Kriterium erfüllt! Die erste Etappe führt uns also von Rosenheim aus auf jeden Fall in die Nähe von Kitzbühel, genauer gesagt nach Aschau bei Kirchberg in Tirol.

Am Tag darauf solls ernst werden. Also so richtig. Wir wollen den Großglockner hoch! Schließlich wollten wir ja nach Südtirol und das ist der naheliegendste Weg von Kitzbühel aus, zumindest mit dem Rad. Der höchste Berg Österreichs, 2000 Höhenmeter am Stück. Huiuiui, noch nie gemacht, das wird spannend. Der Zielpunkt des zweiten Tages soll dann irgendwo rund um Lienz liegen. Wo genau, wollen wir spontan entscheiden, ob eher vor Lienz oder schon Richtung Sillian.

Danach wird die Planung etwas grober, es geht idealerweise über Bruneck weiter mit Pässen wie Pordoi oder Grödner Joch, ein Stück von der Sellarunde je nach Befinden wäre natürlich traumhaft, als Nachtlager würde sich dann Barbian anbieten. Die Königsetappe also.

Und für den letzten Tag würde sich uns nur noch der Brennerpass in den Weg stellen, dahinter wartet Innsbruck und je nachdem, wie viel Kraft oder Lust noch da ist, radeln wir zurück Richtung Rosenheim oder setzen uns in den Zug.

Leichtes Gepäck.

Das Gepäck

Wie schon bei unserer unperfekten Alpenüberquerung vor einigen Jahren reicht uns auch diesmal je ein Rucksack pro Mensch für unser Gepäck. Man braucht weniger, als man so denkt. Ein paar Wechselradklamotten, leichte Kleidung für den Abend. Wenn man nicht zeltet, ist die Packliste echt überschaubar. Mein Rucksack ist etwas kleiner als der des besten Mannes der Welt, freundlicherweise hat er noch so einige Dinge dabei, die man nur einmal braucht, wie Werkzeug, Sonnencreme und Shampoo. Außerdem friert er viel schneller und hat deswegen quasi den halben Winterradklamottenschrank dabei. Außer meinem Rucksack habe ich noch eine wasserfeste Tasche an den Lenker geschnallt, da wir für die Oberlandhütte Hüttenschlafsäcke brauchen. Die haben beim besten Willen nicht mehr in die Rucksäcke gepasst, stören am Lenker aber kaum. Beim Packen orientierten wir uns an unserer Packliste für die Alpenüberquerung.

Unsere Packliste als PDF.

Die Realität

Es ist soweit. Ich bin schon ganz aufgeregt und würde am liebsten gleich nach dem Aufstehen losfahren. Ich liebe es einfach, den Rucksack zu packen und ohne große Ziele herumzufahren. Gerade, wenn man die Berge direkt vor der Haustüre hat. Ich glaube, es gibt fast nichts, was einen sonst so aus dem Alltag rauszieht.

Aber erst einmal: Frühstück. Nochmal die wichtigsten Utensilien gecheckt, die Hüttenschlafsäcke mit wasserfester Vaude-Tasche an den Lenker geschnallt und wir rollen los, der beste Mann der Welt und ich. Ich bekomme mein Grinsen sehr lange nicht aus dem Gesicht. Endlich unterwegs.

Endlich unterwegs!
Eis!

Na gut, so nach 20 Kilometern verschwindet das Grinsen dann doch. Der Rucksack zwickt ein bisschen. Und heiß ist das. Tun Dir auch die Schultern so weh? Boah, also der kleine Anstieg hier ist echt zäh – und wir wollen morgen dann den Großglockner hoch? Na Bravo.

Nach 45 Kilometern gönnen wir uns in Grassau erst einmal einen hervorragenden Eisbecher. Wohlverdient, finden wir. Den Rucksack noch einmal neu justiert, und ab auf die zweite Etappenhälfte heute. Danach rollt es dann irgendwie gleich besser. So weit ist es ja auch gar nicht mehr. Wir passieren vor Kössen die österreiche Grenze (Ein Hoch auf Schengen!) und haben in dem kurvigen Abschnitt eine Nahtoderfahrung mit einem unverschämt und gefährlich überholenden LKW. Danach wirds aber glücklicherweise entspannter.

Die Oberlandhütte in Aschau.Zwar sind wir ein bisschen zu spät dran, um die Profis der Österreich Rundfahrt heute zu sehen, aber wir fahren ab Kössen zumindest die gleiche Strecke, inklusive Bergwertung. Sehr idyllisch hier! Wir nähern uns Sankt Johann, das kennen einige vielleicht von der Masters WM, und vor uns baut sich das Kitzbüheler Horn auf. Da müssen wir definitiv auch mal hoch! Aber nicht mehr heute. Schließlich warten morgen noch größere Aufgaben auf unsere Beinchen.

Das Kitzbüheler Horn.

Noch ein kurzer Stopp am Interspar-Supermarkt und wir cruisen weiter, Richtung Kitzbühel und unserem Tagesziel entgegen. Das Örtchen Aschau, in dem die Oberlandhütte steht, liegt noch einmal 200 Höhenmeter oberhalb von Kirchberg und auf den acht Kilometern hinauf wird der Verkehr immer weniger. Und dann noch die Aussicht, den Tag morgen mit einer langen, nicht zu steilen Abfahrt zu starten – Gold!

 

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Die Nacht in der Oberlandhütte ist kurz für mich. Irgendetwas lässt mich keine Luft bekommen und ich schniefe und rotze die ganze Nacht vor mich hin. Glücklicherweise lässt das gleich nach, sobald ich an die frische Luft gehe. Was dafür schlechter geworden ist: Die Wetterprognose, die uns beim Abendessen schon leichte Sorgen machte.

Die Oberlandhütte in Aschau.
Der erste Pass der Tour!

Ab 13 Uhr kann es regnen am Großglockner, für 15 Uhr gibt es sogar eine Unwetterwarnung, außerdem soll es kräftig abkühlen. Hm. Nicht so prickelnde Aussichten, wenn man auf 2500 Meter hoch will. Wir frühstücken erst einmal und fahren los. Auf dem Weg nach Kitzbühel werden wir von einigen Profiteambussen überholt. Ha, stimmt, in Kitzbühel ist ja heute Etappenstart der Österreich Rundfahrt! Dann schauen wir uns das doch mal an – wir sind allerdings zwei Stunden vor dem Start da und entsprechend ist die Hose noch recht tot. Trotzdem lassen wir es uns nicht nehmen, einmal durch den bereits aufgebauten Startbogen in der Innenstadt zu fahren. Sonst ist wirklich noch nix zu sehen hier, also nehmen wir Kurs auf den Pass Thurn – dort wollen wir die Profis kurz anfeuern und entscheiden, was wir denn dann jetzt tun wollen, mit den Wetteraussichten.

Die 500 Höhenmeter zum Pass Thurn sind schön zu fahren, zwar mit viel Verkehr, aber es rollt schön hoch. Ich feiere jeden Teambus und freue mich schon auf einen Cappuccino oben auf der Passhöhe, aber alle Lokale haben natürlich Ruhetag. Na gut, dann schlagen wir die Zeit, bis die Profis kommen, halt mit Fotos vom Wurstsponsor der Bergwertung tot.

Wurst! Bergwertung am Pass Thurn.
Man beachte das Kennzeichen 🙂

Irgendwann kommen dann endlich die Polizeimotorräder, die das Radrennen ankündigen und die Renner ziehen eeetwas schneller vorbei, als ich zuvor hier hochgekurbelt bin, ähem. Direkt nach den Teamwägen stürzen wir uns auch in die Abfahrt. Der Himmel sieht nach Schönwetter aus – aber der Wetterbericht… ach, ach.

Die Profis fetzen am Pass Thurn vorbei.
Die Krimmler Wasserfälle.

Also streichen wir den Großglockner erst einmal vom Plan und fahren von Mittersill aus in die andere Richtung, zum Gerlospass. Während einer Kuchenpause diskutieren wir, wie wir diese Tour noch retten können. Vielleicht den Gerlos hoch und dann mit dem Zug zurück an den Fuß des Großglockner? Oder über den Pass drüber ins Inntal und von Wörgl aus mit dem Zug zum Großglockner? Oder nach Innsbruck und von Norden über den Brenner?

Egal, erst einmal weiter zum Gerlospass. Es geht hoch, vorbei an den Krimmler Wasserfällen. Und dann beginnt es tatsächlich zu regnen, fast aus heiterem Himmel, erst schwach, dann immer stärker. Bis wir die Passhöhe erreichen, strömt der Regen nur so vom Himmel und in der Richtung, aus der wir kommen, grollt sogar der Donner. Tja, da hatte der Wetterbericht wohl recht. Gut, dass wir gerade nicht am Großglockner festhängen, sondern 1000 Höhenmeter tiefer sind, schon hier hat es nur noch neun Grad. Pluspunkt für den Mann, der tausend Klamotten dabei hat und die oben wechseln kann.

Nass ist es oben am Gerlospass.

Die Abfahrt vom Gerlos ist eeewig lang. 25 Kilometer geht es bergab, ganz schöner Akt, so durchnässt, wie wir sind. Die kurze Hose ist echt sehr kurz bei diesen Temperaturen. Immerhin, nicht so kalt wie bei Eschborn-Frankfurt letztes Jahr. Aber der Regen hört auf und der Blick auf das wunderschöne Zillertal öffnet sich. Hier war ich letztes Mal mit dem Mountainbike bei der Zillertal Bike Challenge unterwegs – ich mag es hier.

Hallo Zillertal!

Die letzten Kilometer sind nochmal richtig steil, die kalten Finger tun langsam weh vom Bremsen. Aber da ist Zell am Ziller – jetzt wird erst einmal nur noch flach gerollt, das Zillertal entlang, der Sonne entgegen. Wie kitschig – und schön. Wir cruisen auf dem tollen Zillertal Radweg Richtung Ausgang und kaufen uns erst einmal einen Cappuccino. Dabei wird das Wetter gecheckt: Morgen solls nochmal schlecht werden. Und kalt. Und nass. Unsere Füße sind da immer noch kaltfeucht vom Gerlos und da hat die Wetterprognose so gar keinen Charme. Also entscheiden wir uns schwersten Herzens, in den Zug nach Hause zu steigen.

Hinaus aus dem Zillertal – ab nach Hause.

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Das Fazit

Es macht wirklich sehr wenig Spaß, eine mit so viel Vorfreude geplante Tour so abzubrechen. Noch dazu haben sich meine Beine gerade eingegroovet und mein Körper war am Tag danach richtig irritiert, dass es nicht weitergeht. Aber gut, so ist das nun einmal und das Wetter war tatsächlich so gar nicht prickelnd.

Unterwegs mit dem Trek Émonda SL7 vom Bikestore Oliver Blas in Raubling. (Werbung)

Mein Trost: Das wird sicherlich nicht unser letztes Mal gewesen sein, dass wir unseren Rucksack packen und einfach losfahren. Mit den Bergen vor der Haustüre haben wir ja ohnehin die besten Startbedingungen und auch die zwei Tage, die wir unterwegs waren, waren einfach schön. So war es halt nur ein kleines Abenteuer – besser als gar keins!

Der Großglockner ging uns übrigens die ganze Woche nicht mehr aus dem Kopf. Aber das ist eine andere Geschichte… 🙂


Oh, schon vorbei? Mehr Reiseberichte gibt’s hier! 🙂


 

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Carolyn Ott-Friesl

Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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