Für viele Radsportler ist eine Alpenüberquerung ein Saisonziel, auf das lange hingearbeitet wird. Wer die ultimative Unabhängigkeit sucht, für den ist eine Alpenüberquerung ohne Begleitfahrzeug die perfekte Herausforderung. Das war es auch für uns, als wir uns im Jahr 2011 mit dem Rennrad in die Alpen gewagt haben, ausgerüstet nur mit jeweils einem Rucksack. Um Euch für Eure Rennrad-Alpenüberquerung oder mehrtägige Radtour ohne Begleitfahrzeug eine kleine Hilfestellung zu geben, habe ich sieben Punkte aufgeschrieben, die bei unserer Überquerung nützlich waren oder nützlich gewesen wären.
1. Streckenplanung für die Alpenüberquerung
Wer ohne Begleitfahrzeug unterwegs ist, ist zwar ungebunden und kann auch ungeplante Strecken erkunden, aber ein bisschen grobe Planung kann dennoch nicht schaden. Zunächst sollten alle Teilnehmer der Tour vereinbaren, welche Strecke pro Tag ungefähr geschafft werden soll. Und dabei gilt es nicht nur ein Augenmerk auf die Distanz zu haben, sondern auch die Höhenmeter müssen berücksichtigt werden. Dabei kann ich nur (wieder einmal 😉 ) betonen: Der Schwächste gibt in dieser Hinsicht die Richtung vor! Sonst führt das nur zu Frust. Habe ich gehört. Dazu gehört auch: Pausen und Puffer einplanen und alternative Etappenziele im Auge behalten, wenn die Tour mal spontan verkürzt oder verlängert wird.
Wichtig sind auch eingeplante Puffer – wenn mal eine Straße nicht befahrbar ist oder ein Reifendefekt dazwischen kommt, sollte das nicht direkt in einer ungeplanten Nachtfahrt enden.
Praktisch ist natürlich, wenn die Touren so enden, dass man im Idealfall eine Unterkunft für die Nacht am Zielort vorfindet. Ob Ihr diese vor Antritt der Tour buchen möchtet oder spontan aufkreuzt und auf eine Übernachtungsmöglichkeit hofft, ist Geschmackssache. Wir hatten bei unserer Tour kein Problem, jeden Abend ganz spontan und ohne Voranmeldung eine Pension zu finden. Allerdings sollten die Etappenorte nicht die allerkleinsten Alpendörfchen sein, damit eine passende Übernachtungsmöglichkeit dabei ist. Noch unabhängiger aber auch unkomfortabler wird es, wenn Ihr Euch ein Zelt mitnehmt.
Ein anderer Aspekt: Wollt Ihr die bekannten, aber ausgetretenen bzw. verkehrsreichen, Pfade befahren oder sucht Ihr Euch reizvolle Nebenstrecken? Natürlich macht sich ein Großglockner gut in der Tourenplanung, aber die Alpen erstrecken sich weiter als man denkt. Warum nicht beispielsweise eine Route über Slowenien planen? Garantiert stressfreier als die üblichen Touri-Routen und vor allem in der Ferienzeit macht es keinen Spaß, ständig von Abgasen vorbeirasender Motorräder und Autos eingenebelt zu werden.
Nicht zuletzt solltet Ihr kurz überprüfen, ob die geplante Strecke überhaupt befahrbar ist. Gerade, wenn Ihr früh oder spät in der Saison in die Berge aufbrecht, kann es sein, dass Pässe schon/noch gesperrt sind.
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2. Packliste – Rucksack oder Radtaschen?
Gerade bei einer Tour ohne Begleitfahrzeug ist es wichtig, das Mittelmaß zu finden: Mehr dabei heißt auch mehr Gewicht – bergauf merkt man doch jedes Gramm, trotzdem muss alles Notwendige dabei sein. Wir haben bei unserer Tour versucht, unsere Rucksäcke* auf maximal zehn Kilo zu bepacken. Damals waren Taschen am Rennrad noch nicht so hip – das ist inzwischen etwas anders und es gibt viel Auswahl. Mit cleveren Satteltaschen, Rahmen- oder Oberrohrtaschen bekommst Du recht viel unter und hast den Rücken frei.
Bei Hygieneartikeln wie Zahnpasta oder Sonnencreme könnt Ihr Euch in vielen Drogerien mit kleinen Versionen der Produkte eindecken, ansonsten könnt Ihr auch einfach von der großen in eine kleinere Verpackung umfüllen, um Platz und Gewicht zu sparen. Was wir alles dabei hatten, seht ihr in folgendem PDF-Dokument, das Ihr herunterladen, ausdrucken und als Grundlage für Eure eigene Packliste verwenden könnt.
3. Material: Ist Dein Rennrad fit?
Nein, es muss nicht unbedingt ein Fünf-Kilo-Rennrad sein, wenn man in die Berge fährt. Aber es hilft ungemein! Je leichter das Reisegefährt, desto besser – was aber nicht heißt, dass man nicht auch mit einem alten Schweizer Militärvelo über die Alpen kommen könnte.
Viel wichtiger ist aber, egal ob Hightech- oder Retro-Renner, dass Ihr Euch auf das Material verlassen könnt. Deshalb sollten vor dem Losfahren unbedingt die sicherheitsrelevanten Teile wie Reifen, Felgen, Bremsklötze und Kette überprüft und gegebenenfalls erneuert werden. Dazu gehört natürlich die übliche Wartung: Putzen, ölen und fetten. Es gibt kaum ein schlimmeres Gefühl, als einen Alpenpass hinabzufahren und dem Material nicht vertrauen zu können. Ernsthaft!
Falls doch mal etwas schief geht, sind Ersatzteile eine beruhigende Investition: Ersatzschläuche sollten ohnehin dabei sein und nehmen wenig Platz weg, wer noch Kapazitäten hat, kann auch eine Ersatz-Kette oder -Bremsklötze mit entsprechendem Werkzeug mit in den Rucksack nehmen.
Darüber hinaus sollten die „Kontaktstellen“ zum Rad passen: Könnt Ihr jeden Tag mehrere Stunden auf dem Sattel verbringen? Passt die Sitzposition und die Stellung des Lenkers? Das alles sollte vorher bedacht werden und nicht erst auf der Tour ausprobiert werden.
Um an Alpenpässen nicht zu verzweifeln, sollte auch Euer Antrieb an die eigenen Fähigkeiten angepasst sein. Ist Eure Übersetzung ausreichend oder wollt Ihr noch eine bergfreundlichere Kassette montieren?
4. Essen und Trinken – lieber mehr als zu wenig
Schlimmer als jeder zu überwindende Pass war bei unserer Alpenüberung, dass wir von Anfang an viel zu wenig gegessen haben. Auch das will geübt sein! Ich dachte vorher, dass ich ohnehin so viel Hunger haben würde nach jeder Tour, dass ich mein Kaloriendefizit locker wieder reinesse. Aber leider hat das nicht so gut geklappt. Ich war nach den langen Touren schlicht zu erschöpft, um viel zu essen und mein Appetit hatte so gar nichts mit meinem tatsächlichen Bedarf zu tun. Das bekam ich dann nach nur drei Tagen auch deutlich zu spüren, denn meine anfängliche Energie war wie weggeblasen.
Wichtig ist also: Genügend Riegel und Snacks für unterwegs mitnehmen und zum Frühstück und Abendessen ordentlich reinhauen, gern auch tagsüber eine Mittags- oder Kuchenpause einlegen. Die Mahlzeiten, vor allem am Abend, sollten energiereich sein. Ein Salätchen bringt da recht wenig. In einigen Pensionen bekamen wir sogar auf Nachfrage einen kostenfreien Nachschlag oder gleich von Anfang an eine extra große Portion.
Nicht zu vergessen: Viel trinken! Besonders auf Touren im Hochsommer ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr unerlässlich. Und weil das Thema gerade groß durch das Netz geht: Viel trinken bringt nur was, wenn Ihr dem Körper gleichzeitig genügend Salz zuführt.
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5. Navigation – Radcomputer und ein grober Plan im Kopf
Wer mit Garmin* oder ähnlicher Navigationsmaschinerie* startet, muss sich eigentlich keine Gedanken machen. Strecke planen, übertragen und los gehts! Aber natürlich kann so ein Navi auch mal ausfallen. Deswegen ist es immer gut, zusätzlich eine Karte im Gepäck zu haben und zumindest die größeren Orte im Kopf zu haben. Auch die Navigation nur mit Karte ist natürlich möglich, aber weit weniger komfortabel. Wer mit Karte navigiert, sollte darauf achten, dass sie mindestens einen Maßstab von 1:200000 hat, damit auch kleinere Straßen gut erkennbar sind.
6. Reisezeit für die Rennrad-Alpenüberquerung
Eure Tour sollte auch auf die Reisezeit abgestimmt sein. Wenn Ihr bereits im April oder Mai aufbrecht, kann es gut sein, dass hohe Pässe noch gar nicht befahrbar sind. Große Pässe würde ich von Mitte Juni bis Mitte September in Angriff nehmen, kleinere Pässe können sogar von April bis Oktober noch gut befahrbar sein.
Das Wetter ist aber in den Bergen viel unberechenbarer als im Flachland, deshalb solltet Ihr auch die Wetterprognosen immer im Blick haben. Je früher oder später in der Saison, desto extremer kann das Wetter werden.
Wer nicht auf die Ferienzeit angewiesen ist, tut außerdem gut daran, einen Zeitraum außerhalb der „Touristen-Zeiten“ zu nutzen. Denn je weniger Verkehr Euch begegnet, desto mehr Spaß macht die Passbefahrung.
7. Rückreise mit dem Rad
Wenn Ihr die Alpen nur in eine Richtung überqueren wollt, müsst Ihr auch irgendwie wieder nach Hause kommen. Wir haben bei unserer Alpenüberquerung den Zug als Reisemittel gewählt. Allerdings war es gut, dass wir uns am Bahnschalter noch in Deutschland genauer informiert hatten, denn der Zug, den wir eigentlich nehmen wollten, konnte wegen eines Erdrutschs nicht fahren. Also mussten wir umplanen und waren schließlich von Villach bis Passau neun Stunden mit dem Regionalzug unterwegs.
Wenn Ihr auch mit dem Zug fahren wollt, solltet Ihr auf jeden Fall vorher abklären, ob auf der gewünschten Strecke überhaupt Fahrräder mitgenommen werden können oder ob man Fahrradstellplätze vorher reservieren sollte.
Von den populären Alpencross-Zielen, wie z. B. dem Gardasee, gibt es auch teilweise die Möglichkeit, mit dem Bus wieder zurück nach Norden zu fahren. Wer kontaktfreudig ist, kann auch versuchen, in den einschlägigen Radforen eine Mitfahrgelegenheit zu ergattern.
Habe ich etwas vergessen? Habt Ihr selbst schon mal eine Alpenüberquerung oder mehrtägige Radtour ohne Begleitfahrzeug gemacht und andere Erfahrungen? Lasst es mich wissen!
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Carolyn Ott-Friesl
Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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Meine Ausrüstung:
Helm* - Brille* - Bluetooth-Kopfhörer* - Radsportbekleidung* - Radsportcomputer*
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