Chiemsee Triathlon Rennbericht: Heimwettkampf vor atemberaubender Kulisse

6 Uhr 30. Mein Wecker klingelt, aber ich bin eh schon seit 20 Minuten wach. Manche würden nun fragen: „Wer bist Du und was hast Du mit Caro gemacht?“- tja, es gibt seltene Gelegenheiten, da bin sogar ich an einem Wochenende zu einer einstelligen Uhrzeit bei Bewusstsein. Zum Beispiel dann, wenn ein Wettkampf ansteht.

Was für eine Kulisse für den Chiemsee Triathlon.

Heute möchte ich abhaken, einmal bei meinem „Heimtriathlon“ gestartet zu sein, schließlich ist der Chiemsee nur 20 Kilometer von Rosenheim entfernt, auf der Fraueninsel habe ich den besten Mann der Welt geheiratet – das muss also mal sein. Ich dachte zwar bis vor einigen Monaten nicht, dass das schon 2018 passiert, aber vor den Hindl-Brüdern Sven und Roland vom Chiemsee-Triathlon-Veranstalter Wechselszene ist man nie sicher, wenn man da mal was durchblicken lässt in diese Richtung.

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Im Januar war ich auf Twitter davon überzeugt worden, dass eigentlich gar kein Weg daran vorbeiführen kann, dass ich mich jetzt sofort beim Chiemsee Triathlon anmelden muss. Naja, was sein muss, muss sein. So stand ich also fix in der Startliste für die Kurzdistanz. Und hatte keinen blassen Schimmer, wie ich bis zum Startschuss die 1,5 Kilometer Schwimmen oder die 10 Kilometer laufen schaffen soll.

Daran hat sich am Wettkampfmorgen gar nicht so viel geändert. Die 1,5 Kilometer Schwimmen sind immer noch ziemlich furchterregend, vor allem im Freiwasser, wo Fische, Algen und schlechte Sicht lauern. 10 Kilometer Laufen kann ich zwar einigermaßen, aber da hat mein Knie manchmal etwas dagegen, seit es auf Bergabgehen allergisch reagiert. (Leider gehe ich recht oft bergab dank Wandern und Klettersteiggehen). Nur dem Radfahren blicke ich entspannt entgegen. Nein, ich freue mich sogar drauf: 40 Kilometer Ballern – das kann ich wenigstens.

Mein Trek Émonda wartet geduldig auf seinen Einsatz.

Raceday – was für eine Kulisse!

Raceday also. Zuhause noch einmal die Triathlon-Tipps.de-Checkliste durchgegangen, alle Beutel für die Wechsel drei Mal gecheckt, Haferschleim angerührt, Angstpipi und schon geht es los Richtung Chieming. Ich bin zwar aufgeregt und so richtig viel essen geht nicht, aber die heftige Übelkeit, die mich sonst oft vor Wettkämpfen plagt, ist glücklicherweise nicht da.

Etwa eineinhalb Stunden vor dem Start um 9 Uhr 30 sind wir vor Ort. Der beste Mann der Welt kümmert sich rührend um mich und hat motivierende Sprüche parat wie „Mensch, bin ich froh, dass ich nicht in diesen See springen muss“ 😛 . Ich gehe noch einmal in die Wechselzone und sage meinem Trek Émonda, das ich schon gestern einchecken musste und das geduldig auf mich wartet, „Guten Morgen“ und prüfe noch einmal den Reifendruck. Die Zeit vergeht wie im Flug, ich treffe noch ein paar Bekannte, schaue der Wasserwacht bei den letzten Vorbereitungen und ehrfürchtig den Mitteldistanzlern beim Start zu. Schon eine richtig tolle Kulisse, dieser Chiemsee und die Alpen dahinter.

Der Start der Mitteldistanzler.

Noch eine halbe Stunde bis zum Start. Die Sonne wärmt so langsam, ich fluppe mir meine Badekappe drüber, drücke dem besten Mann der Welt überschüssige Klamotten in die Hand und folge dem Strom von Triathleten. Die sehen alle so fit und routiniert aus – ich zweifle kurz, ob ich hier richtig bin. Ich bin auch eine der seeehr wenigen ohne Neoprenanzug. Was dachte ich mir nur dabei, doch keinen auszuleihen? Wasserwacht, ich zähle auf Dich!

Egal. Jetzt ist es eh zu spät, um irgendetwas zu bedauern. Ich stehe am Ufer und schaue den Neo-Flutern zu, halte noch nervösen Smalltalk mit einer anderen Triathletin. Das Wasser sieht furchtbar kalt aus. Aufs Einschwimmen verzichte ich, ich schwimme eh noch lange genug.

Und dann ist es auch schon soweit, die Kurzdistanz-Damen werden zum Start gerufen. Ich stelle mich noch einmal kurz unter die Dusche am Ufer, in der Hoffnung, dass das Seewasser dann nicht so kalt wirkt und watschele die paar Schritte ins Wasser zur virtuellen Startlinie. Huch, so kalt ist das ja gar nicht! Eher angenehm. Erfrieren werde ich schon einmal nicht, yeah! Ich halte mich hinten im Damenfeld, wir winken noch einmal fürs Foto und schon werden die letzten Sekunden angesagt. Ein Böllerschuss geht mir durch Mark und Bein und ich stürze mich in die Fluten. Vor mir sehe ich Arme und Beine herumwirbeln und ich wirbele ohne groß nachzudenken einfach mit. Die ersten Bojen kommen in Sichtweite und ich bin immer noch inmitten von anderen Teilnehmerinnen. Das läuft doch ganz gut.

Das da ohne Neo ganz hinten, das bin ich. Yeah!

Die Herren starten fünf Minuten nach uns. Das weiß ich und halte mich deswegen ein Stück weg von der Ideallinie – von 300 Herren überschwommen werden, das muss nicht sein. Trotzdem entkomme ich dem Trubel nicht so ganz. Das Wasser fängt irgendwann an zu brodeln, links und rechts von mir tauchen überall Arme und Beine auf, ich inhaliere einen halben Liter Chiemseewasser und brustschwimme erst einmal, bis die erste Männerwelle vorbeigezogen ist. Danach wirds recht unspektakulär. Ich kraule vor mich hin, mir wird fast ein bisschen langweilig, ziehe an den Bojen vorbei, schlucke hin und wieder ein bisschen Wasser wenn ich unkonzentriert werde und zu viel über die Ungerechtigkeit der Distanzverteilung der Sportarten auf der Kurzdistanz nachdenke (SO viel Schwimmen!) und sehe dann irgendwann tatsächlich den Ausstiegsbogen vor mir. Zeit wirds, ich will endlich aufs Rad. Die letzten Meter ziehen sich, unter mir schwabbeln Algen, deswegen habe ich auch keine Lust mehr, nach unten zu gucken. Ich schwimme in den Chieminger Hafen ein, hinter mir ein Boot der Wasserwacht – bin ich die letzte im Wasser? Ne, da hinten sind noch Arme zu sehen. Mein Astralkörper wird von freundlichen Helfern aus dem Wasser gehebelt und ich trabe Richtung Wechselzone.

Radfahren – do bin i dahoam

Ah, da ist mein Wechselbeutelchen. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie froh ich bin, mich nicht noch aus dem Neo schälen, sondern nur das Radzeug an mich dranschmeißen zu müssen. Abtrocknen, anziehen, Rad greifen, Spaß haben. Es läuft direkt flüssig, nur mein Tacho funktioniert nicht. Egal.

Die ersten Kilometer sind flowig zu fahren und ich merke, wie meine Beine mir Vortrieb geben. Jetzt gilt die Devise: Essen, was so reingeht. Was ich beim Frühstück nicht geschafft habe, muss ich halt jetzt reinstopfen (Ein Herz für Schokogel!). Ich hab richtig Freude, feuere andere an beim Überholen oder Überholtwerden und ziehe zu meiner Überraschung vor allem bergauf immer wieder an anderen Athleten vorbei. Hin und wieder brennen die Profis an mir vorbei, einige Namen erkenne ich von Instagram – das Selfie mit Euch hol ich mir dann wann anders mal. 😉

Doch auch der schönste Radsplit geht irgendwann zu Ende, den 30er Schnitt habe ich zwar nicht ganz geknackt, aber mit rund 29,5 km/h bin ich auch völlig zufrieden bei dem welligen und unrhythmischen Kurs. Aber jetzt wirds ernst. Nach 42 Kilometern biege ich wieder in die Wechselzone ein und sprinte zum Radlparkplatz. Mein Knie zickt – oh, oh, nicht jetzt schon! Ich hab doch noch nicht einmal angefangen!

Das Rad abgestellt, den letzten Beutel für heute geschnappt und ab in die Laufschuhe. In weiser Voraussicht habe ich auch Melkfett dabei und schmiere fleißig, damit ich später keine wunden Stellen als Souvenir nach Hause nehme.

Läuft – zumindest am Anfang

Los gehts, einmal rum um die Wechselzone. Das Knie wirkt unentschieden, ob es jetzt wehtun soll oder nicht. Ich bin ziemlich dagegen und kann mich offenbar durchsetzen. Die Beine machen insgesamt schön mit und ich denk mir noch: Was war nochmal das Problem am Laufen? Ich laufe fast beschwingt um die erste 5-Kilometer-Runde, überhole sogar ein oder zwei andere Athleten. Aber hauptsächlich werde ich überholt. Meine Gedanken drehen sich viel darum, warum ich so kurze Beine habe und alle anderen so lange Beine. Was anderes kanns ja nicht sein, dass die alle so heftig schnell laufen können. 😛 Erste Runde: läuft!

Zweite Runde: nicht so. Ich hole mir mein erstes Gummibändchen ab und biege nochmal ein auf den Laufkurs. Aber irgendwie läufts gerade nicht mehr so. Der Hügel, den ich in der Runde zuvor noch gefühlt rehgleich hochgehüpft bin, zwingt mich jetzt zu gehen. Jeder Schritt ist ein Kampf und ich habe das Gefühl, ich bleibe gerade stehen, obwohl sich meine Beine bewegen. Argh. Dabei sind es doch nur noch drei Kilometer, das wird doch wohl noch zu schaffen sein!

Ich laufschlurfe voran, die letzten Kilometerschilder wollen und wollen nicht kommen. Ich erinnere mich wieder, warum Laufen die furchtbarste Sportart ist, die es gibt. Quälend langsam kommt das Ziel näher. Ich hole mir endlich mein zweites Gummiband und darf mich in Richtung Ziel einordnen. Meine Schritte gewinnen an Schwung, eine Kurve, noch eine Kurve, ein Dirndlmädchen streckt die Hand nach mir und wir laufen zusammen ins Ziel hinein. 3 Stunden, 30 Minuten, 41 Sekunden. Unglaublich, es ist vorbei. Olympische Distanz, ich hab Dich geschafft und Du mich auch.

Da wars dann gar nicht mehr so lustig: Zieleinlauf!

Ich melde Vollzug bei den Hindl-Brüdern, die gerade im Ziel beschäftigt sind. „Ja spitze, wir melden Dich gleich an für die Mitteldistanz nächstes Jahr!“ Uff, joa, äh, mal sehen, äh, schlechte Verbindung, Tunnel, äh, wichtiger Termin, muss weg.

Triathlon? Nie wieder. Oder?

Ich bin direkt nach dem Wettkampf schon ziemlich stolz auf mich. Achievement unlocked, es hat alles geklappt wie am Schnürchen, auch wenn ich sicher keine Geschwindigkeitsrekorde gebrochen habe. Ein supercooler Chiemsee Triathlon mit positiven Vibes, toller Organisation, fairen Triathleten und unglaublich motivierendem Publikum. Ich bin nicht ertrunken, nicht gegangen, bin durch, olé, jetzt kann ich das Thema Triathlon endlich abhaken, von jetzt an fahre ich nur noch Rad, schwör!

Es dauert auch nur ungefähr einen Tag, bis ich genauer analysiere, wie viel Zeit ich tatsächlich beim Schwimmen und Laufen liegengelassen habe. Eigentlich kann ich das so nicht wirklich auf mir sitzen lassen. Ich meine, drittletzte Schwimmzeit bei den Damen? 1 Stunde 14 Minuten für 10,5 Kilometer? Da muss noch was gehen.

Vielleicht gehe ich demnächst mal einen Trainingsplan suchen. Aloha!

 


Transparenzhinweis: Mein Startplatz beim Chiemsee Triathlon wurde mir vom Veranstalter Wechselszene kostenlos zur Verfügung gestellt.

Carolyn Ott-Friesl

Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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Meine Ausrüstung:
Helm* - Brille* - Bluetooth-Kopfhörer* - Radsportbekleidung* - Radsportcomputer*