Wer spektakuläre Ausblicke mag, wird die Dolomiten lieben 🤩 Die Gegend ist ein echtes Pass-Paradies und wir konnten einen kleinen Teil davon mit dem Rennrad erkunden.
Wir kamen vor allem für die Sellaronda, aber waren begeistert von den vielen möglichen Touren, die wir aber wetterbedingt bei weitem nicht alle ausprobieren konnten. Aber alles, was wir geschafft haben, findest Du hier.
Sellaronda mit dem Rennrad – was ist das?
Aber zunächst mal dazu, was eigentlich hinter der Sellaronda steckt. Viele kennen den Begriff vielleicht vom Wintersport, denn die Sellaronda ist dabei die Umrundung des Gebirgsmassivs Sellastock mit Skiern oder Snowboard und mithilfe von Skiliften.
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Bei der Sellaronda mit dem Rennrad fährt man ebenfalls einmal um den Sellastock herum, auf Straßen und über insgesamt vier Pässe.
Die Runde selbst führt über 53 Kilometer und 1650 Höhenmeter und je nachdem, von wo aus gestartet wird, kommt dann noch ein bisschen was oben drauf. Empfohlen wird, gegen den Uhrzeigersinn zu fahren. Wir waren natürlich andersrum unterwegs 😉 Das hat aber unserer Freude keinen Abbruch getan.
Tipp: Sellaronda Bike Day
Wer die Sellaronda gerne ohne motorisierten Verkehr, dafür mit ganz vielen anderen Radfahrer*innen in Angriff nehmen möchte, hat am Sellaronda Bike Day die Möglichkeit dazu. Dabei gibt’s sogar einen Materialservice und einen Besenwagen. Die nächsten Termine: 7.6.2025, 13.9.2025
Die Pässe der Sellaronda:
- Podoi-Joch (2239 m)
- Campolongo-Pass (1875 m)
- Grödner Joch / Passo Gardena (2121 m)
- Sella-Joch (2218 m)
Fakten zur Sellaronda mit dem Rennrad:
- 53 Kilometer
- 1650 Höhenmeter
- Tipp: Sellaronda Bike Day ohne motorisierten Verkehr
Unsere Sellaronda-Tour mit dem Rennrad
Wir starteten im Fassatal, genauer gesagt von Pozza di Fassa. Schon auf den ersten paar hundert Metern merke ich, dass mein rechter Cleat nicht wirklich ins Pedal einrastet. Kurz nachgeschaut, was da los ist und da ist des Rätsels Lösung: Da bin ich wohl nach der Radtour am Kalterer See gestern auf dem kiesigen Spielplatz ein paar Mal zu oft dem Kind hinterhergejagt. Memo an mich selbst: Auch, wenns nur kurz ist, einfach immer die Radschuhe gleich ausziehen.
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Ein bisschen am Plastik rumbiegen, dann klickt auch der Cleat wieder ein. Und endlich kanns losgehen Richtung Canazei. Die Straße führt leicht bergauf und ist top in Schuss – der Giro kam erst ein paar Tage vorher durch und da hat sich die Region wohl nicht lumpen lassen. Überall hängt sogar noch die rosa Deko – wie schön! Der Radweg neben der Straße istleider nur streckenweise eine Option, an einigen Stellen sind da gerade Bauarbeiten in vollem Gange.

Da wir aber gefühlt eh die einzigen Touristen Ende Mai hier in den Dolomiten sind, ist auch auf der Hauptstraße der Verkehr sehr erträglich. Nach Canazei geht die Kletterei dann los. In Serpentinen durch den Wald vernichten wir die ersten Höhenmeter und sind ein bisschen verwirrt. Überall steht Pordoi dran – aber wir wollen doch zum Sella? Bis wir dann verstehen, dass die beiden Pässe sich die Auffahrt ein Stück weit teilen, bis sich dann weiter oben die Straße gabelt. (Oh mann, sind wir gut vorbereitet 😀 )

Meine Beine zwicken jetzt schon ein bisschen, ich sag noch zum Mann: „I glaub, des werd heit a zaache Gschicht“, (Übersetzung: Es könnte sein, dass meine ermüdeten Beine die Performance heute etwas beeinträchtigen.) Aber kurz danach bin ich schon abgelenkt. Denn aufregende Felsformationen spitzen schon immer wieder mal durch die Bäume. Wow.
Immer zwischen 6 und 9 % treten wir hinauf und die verbleibenden Höhenmeter sinken stetig – die Aussicht, dass wir mit diesem ersten Pass bereits fast die Hälfte der heutigen Höhenmeter geschafft haben, macht mir Mut. Alles, was danach kommt, krieg ich dann schon auch noch hin.

In Kurven und Kehren geht es hinauf, die Vegetation wird immer lichter und der Ausblick spektakulärer. Genau dafür sind wir hier. Wie schön sind diese Felsformationen? Die letzten Kehren werden enger und irgendwann erreichen wir die Passhöhe mit Blick auf die Felshänge rundherum.

Vom Sellajoch zum Grödner Joch
Zwei andere Radfahrer sind noch da, mit denen wir uns gegenseitig am Passschild fotografieren, eine Handvoll Motorrad- und Autofahrer. Echt wenig los hier. Schön! Aber auch ein bisschen kühl so auf über 2000 Metern. Deswegen machen wir uns schnell wieder auf, beziehungsweise hinunter. Denn jetzt haben wir sechs Kilometer Zeit, die Abfahrt zu genießen, bis wir uns entscheiden müssen, ob wir nach Gröden hinunter oder zum Grödner Joch hinaufwollen. Natürlich fahren wir hinauf, heute bin ich nämlich Bergziege, jawoll!
Bis zu unserem zweiten Passschild sind es diesmal nur 250 Höhenmeter, das klingt ziemlich zahm. Wir passieren einige Restschneefelder und holpern über die schlechte Straße. Was für ein Kontrast zur Giro-Strecke ein paar Kilometer zuvor.
Die Wolken hängen jetzt dramatisch zwischen den Bergspitzen und ein paar Regentropfen erwischen uns. Aber nach wenigen Minuten wird es schon wieder heller, sogar der blaue Himmel lässt sich im Anstieg mal blicken und liefert zusammen mit dem bizarren Fels-Ensemble einen grandiosen Ausblick. Ich will gar nicht blinzeln, um keinen Winkel zu verpassen.

Von der ganzen Rumguckerei vergeht die Zeit wie im Flug und schneller als gedacht erreichen wir die Passhöhe des Grödner Jochs. Die Abfahrt nach Corvara ist nicht weniger schön.
Ein paar Kehren, dazwischen ein paar lange Geraden und ganz viel Ausblick später sind wir in im Ort angekommen, fest entschlossen, hier eine Kuchenpause einzulegen. Ein paar Höhenmeter haben wir ja noch vor uns und so viele Orte gibt es wahrscheinlich nicht mehr auf der Route. Es ist aber auch hier gar nicht so einfach, ein Café zu finden, das offen ist.
Aber dann ist da doch eins, an dem wir schon fast vorbeigeradelt sind. Apfelstrudel mit Vanillesoße, ein Cappuccino (ja, ich weiß, viel zu spät in Italien) und eine Cola – schon sieht die Welt wieder bunter aus. Nur das Regenradar verheißt nichts allzu Gutes. Da ist eine Wolke, die genau auf uns zusteuert. Dann schnell weiter und hoffen, dass sich das Wölkchen doch für einen anderen Kurs entscheidet.

Campolongo, Eurovision-Medleys und Endspurt zum Pordoi
Der Passo Campolongo ist die einfachste Aufgabe heute. Gerade mal 300 Höhenmeter sind es hinauf und auch die Steigung ist nicht wirklich dramatisch. Dafür ist der Ausblick auch eher mäßig im Vergleich zu den bisherigen Anstiegen.
Außerdem hat das Regenradar recht. Langsam aber unausweichlich werden wir nasser und nasser. Aber da vorne siehts schon wieder heller aus? Na mal sehen. Die Passhöhe passt zum Rest des Anstiegs – sie ist unspektakulär. Ein kleines Schild, ein kleines flacheres Stück Straße – das wars auch schon mit der Berg-Eroberung.
Die Abfahrt nach Arabba ist da schon spaßiger und sogar wieder trocken. Nur noch ein Pass auf der To-Do-Liste und mein Hirn geht langsam in den Partymodus über. Und so fahre ich den Campolongo-Pass hinunter, während ich die Greatest Eurovision Hits als Medley zum Besten gebe. Danke für den Ohrwurm, Nemo, und ein Glück, dass nicht so viele andere Verkehrsteilnehmer*innen in Hörweite unterwegs sind.

In Arabba angekommen erreichen wir einen Kreisverkehr, und von da geht’s gleich wieder bergauf, hoch zum Pordoijoch. Der Mann pedaliert fröhlich voran. Ich bin dann schon langsam froh, dass der Endspurt in Sicht ist.
Die Kurven hinauf und zum dritten Mal heute erreichen wir die Baumgrenze. Das Wetter hat sich jetzt langsam definitiv für Regen entschieden und so platscht immer wieder ein ergiebiger Bergregen auf uns herab. Einfach treten, einfach treten.

Die Wolkendecke gibt aber immer wieder den Blick auf den Sellastock frei und es ist einfach auch mit Mistwetter wunderhübsch. Kehre um Kehre schiebe ich mich hinauf, der Mann immer ein paar Ebenen über mir. Langsam kriecht die Nässe auch unter die halboffene Jacke und die Kälte gesellt sich auch dazu.
Etwas Flausch, der letzte Pass und ein episches Ende für die Sellaronda-Radtour
Immer wieder höre ich einen Pfiff und dann werde ich ganz aufmerksam in meiner monotonen Treterei. Wo sind die flauschigen Pfeifer nur? Und da entdecke ich endlich ein Murmeltier, nur ein paar Meter von der Straße entfernt, wie es mich auf einem Felsen ganz aufmerksam und immer wieder pfeifend beobachtet. Hallo, sorry, dass ich hier in Deinem Bergrevier rumfahre und Deine Ruhe störe. Bin gleich wieder weg, ok? Das wird mit einem weiteren scharfen Pfiff quittiert und ich bekomme trotz Kälte und Nässe und nachlassender Kraft die nächsten drei Kehren ein debiles Lächeln nicht mehr aus dem Gesicht.

Die Bergstation des Lifts, den man schon lange sieht, kommt immer näher. Noch ein paar Tritte uuund da ist auch schon der Mann, der versucht, sich unter dem Dachvorsprung eines der Häuser hüpfend warm zu halten. Ja, hier ist es jetzt schon zapfig langsam
Ich streife mir fix meine Beinlinge über, so schnell das eben mit eiskalten Händchen und nassen Beinen noch geht und dann geht es bergab. Laaange bergab. Mehr als 20 Kilometer mit knapp 1000 Höhenmetern, um genau zu sein. Die Bremshebel zu greifen wird immer schwieriger, die Finger werden immer klammer und quer über die Straße strömen immer wieder kleine Wildbäche. Meine Brille leistet mir glücklicherweise gute Dienste ohne zu beschlagen und mit einem gelegentlichen Wisch sind auch die störenden Wassertropfen weg.

Ich passiere endlich die Abzweigung zum Sellajoch, dessen Anstieg wir heute morgen schon bewältigt haben, und weiß: jetzt ist es nicht mehr weit hinunter. Die Kehren kurz vor Canazei sind mit den inzwischen eiswürfeligen Fingern noch etwas herausfordernd, aber auch das bekomme ich noch hin, bevor ich dann die letzten paar Kilometer leicht abschüssig wieder nach Pozza die Fassa zurückschwimme, äh -fahre.
Puh. So eine epische Tour habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Nicht nur von der atemberaubenden Landschaft, sondern auch in Bezug auf den Schmerz, den meine auftauenden Füße in der Dusche so verursachen. Cool, Sellaronda geschafft! Und definitiv was erlebt heute. 😛
Sellaronda – Höhenprofil & Karte
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Weitere InformationenBonustouren: Kojotenpass am Kalterer See, Passo Valles und Passo Pellegrino
Das Wetter war uns, wie schon geschrieben, insgesamt nicht so sehr gewogen. Zwei andere Touren gingen sich aber noch aus, die ich auch mit gutem Gewissen weiterempfehlen kann.
Am Tag der Anreise machten wir noch einen Stopp in Eppan – der Mann wollte mir da nämlich unbedingt den „Kojotenpass“ (Kreither Sattel) zeigen und fürs Kind war der Spielplatz im Dorfzentrum ein Highlight. Wer eine kleine Herausforderung rund um den Kalterer See braucht: Das ist Euer Hügel mit durchschnittlich 11 % Steigung. Link zur Tour auf Komoot.

Die andere Tour, an die wir uns noch gewagt haben, führte uns über den Valles- und den Pellegrino-Pass. Eine schöne, verkehrsarme Tour mit immer wieder schönen Ausblicken und genügend Herausforderung. Vor allem die ersten Meter hinauf zum Pellegrino vom Valles kommend lassen die Haxerl glühen. Link zur Tour auf Komoot.


Unsere Reisezeit? Gut und schlecht.
Wir waren Ende Mai unterwegs – das Wetter hat dabei nur so halb mitgespielt. Wir hatten drei relativ gute Tage, an denen wir dann auch mit den Rädern unterwegs waren. Was aber dazu kam, war, dass wir offenbar die Zwischensaison erwischt haben. Sehr viele Hotels, Restaurants und sogar Supermärkte waren geschlossen (meist ohne das im Internet angegeben zu haben), von daher war es manchmal gar nicht so einfach und ein spannendes Ratespiel, an Essen ranzukommen. Der große Pluspunkt an der Zwischensaison: die Straßen waren fast leer – das sieht vermutlich zur Urlaubs-Hauptzeit noch mal ganz anders aus.
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Carolyn Ott-Friesl
Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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