Mit dem MTB am Gardasee: Steil und wunderschön

„Außerdem ist die Brenner-Bundesstraße heute wegen des Ötztaler Radmarathons gesperrt“, schallt es auf Tirolerisch aus dem Radio, als wir gerade die Grenze zu Österreich passieren. Ha, guter Auftakt für unseren Urlaub am Gardasee, denn die Radmarathonis sorgen dann auch wenig später für ein wenig Unterhaltung im Stau auf der Brenner-Autobahn, die direkt neben der Bundesstraße verläuft (und ich sorge wahrscheinlich für Irritation bei den anderen Staustehern, weil ich ständig Richtung Ötzi-Teilnehmer brülle).

Die Teilnehmer des Ötztaler Bikemarathons überholten uns im Stau.

Ganz spontan, nur drei Tage vorher, buchten wir vier Übernachtungen in Vesio di Tremosine und obwohl wir hauptsächlich entspannen wollen, sind natürlich auch die Mountainbikes im Gepäck. Schließlich scheint Biken am Gardasee ein absolutes Pflichtprogramm zu sein für Radsportler. Das müssen wir ausprobieren!

Die Westseite des Gardasees eignet sich perfekt zum Biken, das merken wir schon an der engen, kurvigen und abenteuerlichen Autofahrt vom Seeufer hinauf nach Vesio, bei der etwa 500 Höhenmeter überwunden werden. Hier wird noch gehupt, bevor in die Kurve gefahren wird! Ausweichen ist nämlich oft schwierig. Unser kleiner Fiesta muss ganz schön schuften auf der steilen Straße (allerdings hat er es schon auf das Timmelsjoch geschafft, der kann fast alles).

Vesio di Tremosine bei Nacht.

Vesio di Tremosine selbst ist ein nettes Bergdörfchen, das aber offenbar kaum noch von Italienern bewohnt wird. Man spricht deutsch und die Häuser sind entweder Hotels, stehen zum Verkauf oder scheinen schon von urlaubenden Deutschen aufgekauft zu sein. Egal – der Ausblick Richtung Gardasee ist jedenfalls top!

Den Anreisetag lassen wir ruhig mit Pool, Pasta und Tatort ausklingen. Und das ist auch gut so, denn für den zweiten Tag planen wir eine 45-Kilometer-Tour mit unseren Mountainbikes. Dafür, dass ich seit meinem 24-Stunden-Rennen kaum auf dem Rad gesessen habe, ist das schon eine ganz sportliche Distanz.

Tour über Vesio – Riva – Lago di Ledro – Bocca dei Fortini

Inspirieren lassen haben wir uns von diesem Tourenvorschlag beim Mountainbike-Magazin, nur unser Startpunkt liegt nicht in Riva, sondern in Vesio. (Unter dem Link gibt es auch GPS-Dateien.)

Zunächst fahren wir also recht gemütlich auf Asphalt die serpentinenreiche Strecke zum See hinunter. Weniger entspannt ist dann die Fahrt auf der Uferstraße nach Riva – richtig viel Verkehr, wild hupende und gestikulierende Einheimische und zahlreiche Tunnel. Der Abschnitt ist wirklich nicht mein Fall und eine Schifffahrt, wie vom Mountainbike-Magazin empfohlen, wäre sicherlich lustiger gewesen.

Erster Fotostopp.

Da unsere Ersatzschläuche keine Lust auf Urlaub hatten und noch in Rosenheim liegen, beschließen wir, uns noch in Riva für den Fall der Fälle einzudecken. Und die Idee stellt sich als gar nicht schlecht heraus. Die Schläuche brauchen wir zwar nicht, aber Riva ist ein nettes Örtchen und wir verbringen bestimmt eine Stunde damit, uns ein paar Gassen und Promenaden anzusehen.

Nach einem Mittags-Eis machen wir uns dann doch auf die Socken – hinauf Richtung Lago di Ledro. Mal wieder: Von Beginn an ein toller Ausblick auf den Gardasee! Die Strecke führt zunächst direkt am bzw. über dem See entlang, immer bergauf und gut zu fahren, auf Schotter und zwischendrin auch Straße. Ein kleines Minus: Viele viele Menschen, auch Familien mit kleineren Kindern. Kein Wunder, ist ja Urlaubszeit. Uns begegnen aber immer weniger Wanderer und Biker, je höher wir kommen. Und so erreichen wir nach einer Weile den Lago di Ledro und gönnen uns ein kaltes Spezi für vier Euro.

Pause am Lago di Ledro.

Etwa 600 Höhenmeter haben wir bereits geschafft, noch 800 liegen vor uns. Ich bin froh, dass wir frühzeitig losgefahren sind und zumindest keinen Zeitdruck haben.

Denn der Weg hinauf zum Bocca dei Fortini hat es in sich. Immer wieder richtig steile Rampen, die mich langsam zur Verzweiflung treiben. Technisch kein Problem, aber konditionell (für mich) dafür umso mehr. Kurz, bevor wir oben ankommen, geht es noch einmal richtig zur Sache und mir erst einmal die Puste aus. Gemein sind auch die vielen Zwischenabfahrten, mit denen man wieder Höhenmeter „verliert“, nur um sie gleich wieder hochzustrampeln. Das Spezi hat zur Energieversorgung nicht ganz gereicht, deshalb schiebe ich fahrradliebenderweise die letzten steilen Passagen hinauf.

Ein richtig großer Eisbecher wäre jetzt die Rettung… aber oben am Bocca ist nur ein unauffälliges Schild, das den höchsten Punkt anzeigt. Von Eis leider keine Spur. Aber jetzt soll es laut bestem Mann der Welt nur noch bergab gehen. Also, fast nur noch bergab.

Nach einer kurzen Abfahrt geht es nämlich erst einmal wieder bergauf – 300 Meter davon sogar so verwurzelt und steil, dass wir unsere Räder schultern. Was danach kommt, ist jedoch ein Genuss – zwar bin ich inzwischen so kaputt, dass ich einige felsige Passagen wieder schiebenderweise hinter mich bringe, aber die knapp 1000 Höhenmeter geschotterte Abfahrt machen sogar mir Spaß, DEM MTB-Angsthasen schlechthin.

Spitzenausblick von den Serpentinen hinab nach Vesio.

Nach einigen Serpentinen am Schluss erreichen wir wieder unseren Ausgangspunkt Vesio. Duschen, anziehen, Pasta, Eisbecher! Und zwar fix!

Hier gibt’s meine Strava-Aufzeichnung zur Tour. Die Distanz stimmt, es waren etwas mehr als 45 Kilometer, die Höhenmeter sind allerdings vollkommen unrealistisch. Die dürften eher um die 1.500 liegen als um 3.700 Höhenmeter (außer, Strava zeichnet neuerdings die gefühlten Höhenmeter auf…)

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Tour zum Bocca Fobia

Einen Tag Pause haben wir uns gegönnt nach unserer Fortini-Tour, eine weitere Tour möchten wir noch ausprobieren. Die Streckenbeschreibung hört sich wunderbar an, aber so ein bisschen Bammel kommt bei mir schon auf. Technisch schwierig, teilweise direkt am „Abgrund“, schmale Wege… 30 Kilometer sind es laut Mountainbike-Magazin und ich stelle mich auf einen Tag mit viel Geschiebe ein.

Bange Vorfreude könnte man meine Stimmung heute nennen. Dass das hier ein anderes Kaliber als die einfache Auffahrt zum Lago di Ledro ist, merkt man schon daran, dass uns gerade einmal zwei andere Biker begegnen, ein krasser Kontrast zur Völkerwanderung zwei Tage vorher.

Die Serpentinen hinauf zum Zwischenziel La Cocca sind fordernd, aber gut machbar. Im unteren Bereich lassen größere lose Steine das Hinterrad hin und wieder durchdrehen, im oberen Abschnitt sind es glatte Schiefersteine, die die Kletterei bei höheren Steigungsprozenten zur Rutschpartie werden lassen.

Lose Steine machen die Fahrt zur Rutschpartie.

Danach kommt der schwierige Teil. Der Ausblick ist – diesmal ohne See, aber in die Berge hinein – mal wieder wunderbar. Nur ein paar dunkle Wolken über den Nachbargipfeln trüben das Bild, aber wir sind ganz froh, dass die Sonne heute nicht so erbarmungslos brennt wie während der letzten Tage. Für mich beginnt jetzt die große Schieberei. Denn der Weg ist oft nicht einmal einen halben Meter breit, sehr lose geschottert und links von mir tut sich tatsächlich der Abgrund auf. Angsthasenmodus aktiv. Für geübte Mountainbiker sicherlich ein Highlight, für mich die meiste Zeit zumindest eine nette Wanderung mit Rad an der Hand.

Wir durchqueren einige kleine Tunnel und schultern das Rad, um über ein paar große Felsbrocken hinwegzukommen. Während wir uns langsam, aber stetig vorankämpfen, hören wir ein tiefes Grollen. Hm. Ein Blick auf die Gipfel um uns herum bestätigt unsere Ahnung: Da ziehen richtig dunkle Gewitterwolken heran. Wir sind bereits auf etwa 1.300 Metern Höhe und abgesehen von den Tunneln sind wir hier ziemlich schutzlos.

Wir beschließen, zumindest vorerst zum letzten Tunnel zurückzufahren und erst einmal abzuwarten. Eine Viertelstunde später ist der Himmel eher noch dunkler geworden – mit so einem Gewitter in den Bergen ist nicht zu spaßen. Also beschließen wir, uns unverrichteter Fobia-Gipfel-Dinge wieder auf den Heimweg zu machen. Lieber die Tour rechtzeitig abgebrochen als später im Gebirgsgewitter unterwegs zu sein. Ein kurzer, heftiger Schauer erwischt uns auf der Abfahrt, ansonsten bleiben wir trocken und unangeblitzt. Das Gewitter scheint genau in die Richtung abzuziehen, in die wir gefahren wären, und zurück in Richtung Vesio klart der Himmel wieder auf.

Der beste Mann der Welt findet von La Cocca aus noch eine kleine Extra-Schleife, damit die Tour zumindest ein kleiner Rundweg wird. Und was wir da finden, ist ungefähr die steilste Abfahrt, die ich je gesehen habe, garniert mit nassem Laub wegen des gerade abgegangenen Schauers.

Adrenalin pur auf dieser Tour, bergan genauso wie bergab. Mit schmerzenden Händen vom vielen Bremsen erreichen wir dann bald wieder Vesio. Ihr wisst ja: Duschen, anziehen, Pasta, Eis!

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Biken am Gardasee: Für jeden was dabei

Die beiden Touren waren ideal, um unseren Entspannungsurlaub zumindest für zwei Tage zum Aktivurlaub zu machen. Mit nur zwei Touren haben wir eine große Bandbreite erlebt, sowohl für Angsthasen wie mich als auch für geübte Biker, die eine Herausforderung suchen, ist auf der Westseite des Gardasees was dabei. Wir werden definitiv wiederkommen – dann aber vielleicht eher außerhalb der Ferienzeit.

Tipps für Vesio di Tremosine

Noch einige Tipps, falls Ihr mal in der Gegend rund um Vesio unterwegs seid:

  • Wer am kommenden Wochenende zufällig am Gardasee unterwegs ist und eine sportliche Herausforderung sucht: Am Samstag, dem 12. September 2015, findet „Tremosine by Night“ statt – ein Bike-and-Run-Event.
  • Unser Lieblingslokal war definitiv die Trattoria da Angelo in Pieve. Essen gut, Preise gut, Ambiente und Service sehr nett. Allerdings kann eine Reservierung von Vorteil sein, wir hatten zwei Mal auch ohne Voranmeldung Glück. Generell kann man in Pieve einen schönen Abend verbringen, der Ausblick auf den Gardasee ist traumhaft und gutes Eis gibt es auch.
Ein Panorama zum Verlieben in Pieve.
  • Für einen Bummeltag ist Desenzano im Süden des Gardasees zu empfehlen. Eine süße Altstadt, viele Cafés und Läden, ein Hafen mit – wie immer – Traumausblick und eine Burg zum Besichtigen (Achtung, die hat über die Mittagsstunden geschlossen!).

Welche Tipps habt Ihr fürs Biken am Gardasee?


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Carolyn Ott-Friesl

Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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