Was tun, wenn man sehr kurzfristig eineinhalb Wochen Urlaub Ende Februar und gleichzeitig akuten Sonnenbedarf hat? Man packt den Mann ein und steigt in ein Flugzeug Richtung SĂŒden, jawoll! Aber mit welchem Ziel? Die Vorgaben sind klar: Wir wollen Sonne, schöne Rennradtouren und zu teuer sollte es auch nicht sein. Nach ein paar Reiseportalvergleichen und einem Wettercheck verabschieden wir uns wegen der hohen Flugpreise von Mallorca und begrĂŒĂen freudig unser neues Ziel ganz im SĂŒden Italiens: Sizilien! Mafia, Ătna, Sonne, Meer â das klingt doch gleich mal spannend! Im Netz findet sich zwar nicht allzu viel ĂŒber Touren oder Reiseberichte (bei Takeshi gibts wertvolle Sizilien-Tipps), aber wo ein Rennradverleih ist, ist auch ein Weg!
Sizilianischer Verkehr: Wie sollen wir das ĂŒberleben?
Raus aus dem Flugzeug, rein in den Mietwagen. Und mitten im abendlichen Berufsverkehr von Catania die erste ErnĂŒchterung. Die fahren alle, als ob sie den FĂŒhrerschein im Lotto gewonnen hĂ€tten, passend dazu sind die meisten Autos verbeult. Aus zwei Spuren werden vier. Gehupe, Geblinke, GedrĂ€ngel, alle das Handy in der Hand und aus allen Ecken kommen Rollerfahrer angeschossen. Und hier soll ich mit dem Rennrad ganz ohne Knautschzone unterwegs sein? Ich bin kurz davor, die gebuchten MietrĂ€der abzubestellen.
Wenig spĂ€ter in unserer Unterkunft in Aci SantâAntonio dann erst einmal durchatmen. Das wird schon â neuer Tag, neues GlĂŒck. Und der neue Tag beginnt frĂŒh â bereits 20 Minuten vor dem eigentlich vereinbarten Ăbergabetermin um 8 Uhr steht ein netter Mensch von rentbike.it mit unseren Leih-RennrĂ€dern vor der TĂŒr. Ja doch, sieht gut aus, mein Basso aus Carbon, das kurzerhand und wenig einfallsreich in den nĂ€chsten Tagen nur noch Ivan gerufen wird. Damit werde ich es die nĂ€chsten fĂŒnf Tage aushalten.
Erster Ausritt mit Ivan (Basso)
Im Laufe des Vormittags schaffe ich es dann auch mal, die Augen mithilfe des spottbilligen, aber tollen italienischen Espresso komplett aufzubekommen und realisiere langsam: Die sizilianische FrĂŒhlingssonne funkelt mit ganzer Kraft herab, die Vögel zwitschern und die Zitronen leuchten gelb von den BĂ€umen â ein klarer Fall fĂŒr die kurze Radhose, yeah! Noch schnell meinen mitgebrachten SQlab gegen den Standardsattel tauschen, die Pedale angeschraubt, Sattelhöhe eingestellt und los geht es.
Nach den diversen Nah-Unfall-Erfahrungen am Vorabend tasten wir uns langsam raus auf die StraĂe mit unseren Rennern. Aber zu unserer grenzenlosen Ăberraschung passiert â nichts. Wie es scheint, gelten hier Verkehrsteilnehmer ohne Hupe als besonders schĂŒtzenswert, denn von solchen ĂberholabstĂ€nden und RĂŒcksicht kann man zuhause in Deutschland nur trĂ€umen. Und der rĂŒcksichtsvolle Abstand ist auch nötig, denn aufgrund der oft genug abenteuerlichen StraĂenbeschaffenheit mĂŒssen wir hin und wieder ziemliche Wellen fahren.

Den brodelnden Ătna immer im Hintergrund
Bei unseren Touren rund um Aci SantâAntonio haben wir einen grandiosen Ausblick â auf der einen Seite Meer, auf der anderen Seite der ĂŒber 3.000 Meter hohe Vulkan, der wĂ€hrend unseres Urlaubs nach einigen Monaten Ruhe mit krĂ€ftigen Lava-FontĂ€nen fĂŒr Aufsehen sorgt. Leider wird dieser Blick oft versperrt, es gibt kaum ein Entkommen aus den HĂ€userschluchten. Diese KĂŒste scheint eine einzige groĂe Stadt zu sein. Aber wenn man es erst mal rausgeschafft hat aus dem StĂ€dtegewirr, dann wird es schick. Einziges Manko: Der viele MĂŒll, der am StraĂenrand liegt und der Abgasgeruch, der manchmal ĂŒber allem steht.

Der unentspannte StĂ€dteslalom ist auch der Grund dafĂŒr, dass wir die beiden letzten Rennradtouren weiter in den SĂŒden verlegen. Rund um Ramacca und Carlentini herrscht eine himmlische Leere auf den StraĂen, die sich malerisch durch sanfte HĂŒgellandschaften bahnen. Klingt kitschig, sieht auch genau so aus, vor allem im Abendlicht, hach!
DafĂŒr wissen wir jetzt auch, wie Vincenzo Nibali â der Hai von Messina â so gut bergabfahren gelernt hat. Wer mit diesen Schlaglöchern in den Abfahrten zurecht kommt, der kommt ĂŒberall schnell runter!
Unsere Rennradtouren auf Sizilien

Da wir bislang nur wenige Kilometer auf dem Rad gesammelt haben, lassen wir es langsam angehen. Keine 150 Kilometer Touren, lieber kĂŒrzer und dafĂŒr ein paar Höhenmeter (von denen gibt es mehr als man denkt!) â mit so einigen Espresso- und Fotopausen. Unsere erste Tour fĂŒhrt uns zunĂ€chst an der OstkĂŒste entlang, bevor wir Richtung Ătna abbiegen und einige HĂŒgel bewĂ€ltigen und wieder in Aci SantâAntonio eintreffen.
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Der zweite Tag fĂŒhrt erst ganz lang bergauf, danach ganz lang bergab â wir haben uns einen Teil des Ătna vorgenommen! Von Nicolosi aus geht es in hĂŒbschen Serpentinen bergan. Die Abfahrt wĂ€re hĂŒbsch, die Freude wird jedoch von den zahlreichen Schlaglöchern getrĂŒbt.
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Wir entfliehen den StĂ€dten rund um Catania und fahren eine Runde im SĂŒden von Sizilien â in der NĂ€he von Carlentini fahren wir eine neblige, aber landschaftlich tolle Runde mit einigen Höhenmetern.
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Noch eine Tour im SĂŒden: Ramacca â hier wird es ursprĂŒnglich. Kaum Verkehr, leere StraĂen, dafĂŒr auch teils riesige Schlaglöcher und der ein oder andere Aggro-StraĂenhund. Dazu kommt, dass genau die Wege, die wir befahren wollen, gesperrt sind und wir ruckeln uns 3 Kilometer ĂŒber grobe Feldwege â deswegen das StĂŒck um den See am besten nicht genau so nachfahren. Trotz allem doch die insgesamt schönste Tour!
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Alternative zu Mallorca fĂŒrâs FrĂŒhjahrstrainingslager?
In den sieben Tagen auf der Insel waren wir hin und hergerissen â manchmal unglaublich genervt von schlechten StraĂen und anstrengender VerkehrsfĂŒhrung. Gleichzeitig gab es viele tolle Momente wĂ€hrend der Touren, in denen wir einfach nur von der Landschaft hingerissen waren oder den Espresso mit einem leckeren pan di nutella genossen. Nicht zuletzt war das Wetter Ende Februar mit 17 bis 22 Grad ein echtes TrĂ€umchen. Nur an zwei Tagen gab es Regen und die Temperaturen fielen auf etwa 12 Grad. DafĂŒr wurden Ruhetage erfunden und fĂŒr Sightseeing bieten sich Taormina, die Nekropole von Pantalica, Milazzo oder Siracusa an. Nicht zuletzt ist eine Wanderung auf den Ătna ein toller Zeitvertreib. Da sollte das Wetter aber passen!
Ich wĂŒrde auf jeden Fall empfehlen, als Startpunkt fĂŒr Radtouren eine Unterkunft auĂerhalb des GroĂraums Catania auszusuchen. Dann machen die ersten Kilometer auch gleich mehr SpaĂ. Der Radfahrerinsel Mallorca kann Sizilien wegen der fehlenden Infrastruktur (noch) keine Konkurrenz machen. Wer aber bereit ist, ein paar Abstriche hinzunehmen, der kann hier viel SpaĂ haben. Und seeehr gut essen.
Fotos: Christoph Ott
Mehr Reiseberichte? Gibt es hier!
Carolyn Ott-Friesl
Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
Mehr ĂŒber mich...
Meine AusrĂŒstung:
Helm* - Brille* - Bluetooth-Kopfhörer* - Radsportbekleidung* - Radsportcomputer*
10 Gedanken zu âRennradurlaub Sizilien: FrĂŒhjahr am FuĂe des Ătnaâ
Ah, danke fĂŒr Bericht und Bilder â ich hatte sofort Sizilienneid! Vor allem auf den brodelnden Ătna. GroĂraum Catania fand ich zum Fahren auch elend, und die StraĂen auĂerhalb sind gelegentlich schon schĂ€big. Aber die Natur! Und der Cappuccino! Und wie es ĂŒberall nach SĂŒden riecht!
Wir versuchen es in diesem Jahr mit Nordsardinien, mal sehen wie das wird.
Danke fĂŒrs Verlinken!
Lebe gerade fĂŒr vier Monate als Bike-Guide auf Mallorca, da wĂ€re eine Abwechslung wie Sizilien eine echte Alternative. Zumal man âneueâ Strecken erfahren könnte.
Ja auf jeden Fall! Das Potenzial zur Radfahrerinsel wĂ€re auf jeden Fall da, es muss nur ausgeschöpft werden
Ich kann mich glĂŒcklich schĂ€tzen, dass ich gerade zur Zeit eine Sizilien-Reise mit Radtour plane â und das sozusagen mit local guides, also zwei Sizilianern, die ich ĂŒbers Couchsurfing kenne. Wird sicher spannend, die Routen sollen rund um Noto in der Region Syrakus sein, ĂŒber Pozzallo, Scicli (wohl ganz wunderbar mit UNESCO Welterbe. Dann noch relaxen, Italienisch lernen, Schwimmen / im Meer baden (falls es schon geht Ende April/ Anfang Mai), Yoga usw., scheint ja echt unzĂ€hlige Möglichkeiten dort zu geben. Nur, wo ich ein passendes Rad herbekommen soll weiĂ ich gerade noch nicht, wie war denn der Verleih ĂŒber rentbike.it, Carolyn? War der Service und der technische Zustand gut, und wie weit ist Acireale von Catania weg? (wobei ich diesen Weg dann wohl lieber eher nicht per Rad zurĂŒcklege, wurde schon eindringlich gewarnt vor den ânot well educated car driversâ in der City, oder soll man sagen Citta?) Ătna-Besuch per pedes, bike oder was auch immer ist auch geplant, mal sehen, bisschen Angst kriege ich ja schon fast beim Anblick der feuerbrĂŒnstigen Bilder⊠Werde berichten!
Oh sehr cool, ich wĂŒrde auch gleich wieder fahren! Die Region um Syrakus fand ich sehr schick, die Touren von Carlentini und Ramacca waren ja gar nicht so weit weg davon.
Acireale ist nur ein paar Kilometer weg von Catania, allerdings werden die RĂ€der ohnehin geliefert, die kann man gar nicht direkt in Acireale abholen. Die Lieferung nach Aci Santâ Antonio war kostenlos. Der technische Zustand war völlig ok, sowohl mein Carbon-Basso als auch des Mannes Alu-Ghost Bike waren super eingestellt. Kleines Manko waren nur die Reifen, die waren schon ziemlich mitgenommen, haben aber schon noch gehalten. Ich bin nur immer recht vorsichtig in die Schlaglöcher gehoppelt, wenn ich gar nicht ausweichen konnte.
Bin gespannt auf Deinen Bericht!
Geile Tour, wĂŒrde ich sehr gerne auch mal fahren⊠In Sizilien muss es wirklich toll sein radzufahren, habe ich gehört..
Wow, ihr seid ja ganz schön sportlich unterwegs. Respekt! Und toll, dass auf Sizilien so viel RĂŒcksicht auf Fahrradfahrer genommen wird.
Viele GrĂŒĂe,
Sarah
Kenne nur das Piemont und einen Teil von Ligurien. Sizilien nehme ich gerne auch auf der Wunschliste â danke fĂŒr den Bericht!