Mit dem Rennrad im Passauer Land – Radeln dahoam

Manchmal ist Radfahren eine ziemlich emotionale Angelegenheit. Das kann ein besonderer Wettkampf sein oder das Training dazu. Die erste Fahrt nach langer Zeit, das erste Mal mit neuem Material oder ganz besonderer Begleitung. Oder man radelt dort, wo jeder einzelne Straßenmeter Erinnerung ist und jede Hügelkette am Horizont vertraut. Nämlich dort, wo man aufgewachsen ist und vielleicht sogar angefangen hat, Rad zu fahren. Bei mir sind das die Straßen im Passauer Land. Immer, wenn ich zurück nach Passau komme, wie jetzt erst zu Weihnachten, versuche ich mein Rennrad mitzunehmen.


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Zwar ist der Chiemgau, wo ich jetzt zusammen mit dem besten Mann der Welt wohne, sicher eine der schönsten Gegenden, in die es einen so verschlagen kann. Aber ich genieße es, rund um Passau die altbekannten Straßen mit dem Rennrad neu zu entdecken und meine Erinnerungen mit neuen Eindrücken abzugleichen. Assoziationen alle paar Kilometer: An der Abzweigung hat mal meine beste Freundin während der Grundschule gewohnt. An diesem Bushäuschen stand ich damals jeden Morgen vor der Schule. In dieser Gastwirtschaft traf sich mein Vater immer mit seinen Stammtischbrüdern. Hier hat meine Mutter immer versucht, mit mir mitzuhalten bei unseren Radfahrten ins Dorf. Und dieser Berg erschien mir damals als unbezwingbar mit dem Rad.

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Konservativ? Vielleicht. Aber auch richtig schön

Ich habe ja Soziologie studiert, allerdings nicht in Passau, sondern in Erlangen. In vielen Seminaren wurde die Region, aus der ich stamme, als Synonym für Rückständigkeit genannt. Das lief meist ungefähr so: Also eigentlich ist das heute anders, höchstens in Niederbayern, im tiefsten Hinterland, ist das vielleicht noch so wie früher. Großes Gelächter.

Die Gegend ist wohl wirklich ein bisschen konservativer als der Durchschnitt. Hier geht das Leben noch ein bisschen gmiatlicher seinen Gang. Und die Landschaft ist hier ein bisschen schöner als in den meisten anderen Gegenden, wie ich immer wieder feststelle.

Niederbayern, genauer der untere Bayerische Wald, das war mein Revier, das mit der Zeit immer größer wurde. Anfangs drehte ich nur Fünf-Kilometer-Runden um unser Dorf. Meistens dann, wenn die Tour-de-France-Übertragungen mit Jan Ullrich im TV zu Ende waren, die Sommertage endlos lang und meine Motivation grenzenlos. Mit der Zeit wurde ich mutiger und wagte mich immer ein Stückchen weiter weg von meinem Elternhaus. Irgendwann hatte ich sogar ein richtiges Rennrad und war stolz ohne Ende. Ich versuchte, mit den Jungs von den umliegenden Radclubs mitzuhalten und scheiterte grandios. Ich fuhr in alle Richtungen, so weit mich die Höhenmeter ließen, denn davon gibt es hier garantiert nicht zu wenig. Manchmal schaffte ich es bis zum Brotjacklriegel oder nach Hengersberg, einmal von Linz nach Passau auf dem Donauradweg.

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Die Welt wird groß

Noch heute bin ich stolz, wenn ich die Auffahrt von Passau nach Hacklberg über die Riesstraße in einer passablen Zeit fahre, den Anstieg nach Brennschinken meistere, ohne absteigen zu müssen oder ich meide bestimmte Auffahrten, weil ich die sowieso nicht schaffe. Denke ich. Denn eigentlich ist es lächerlich, schließlich bin ich inzwischen Alpenpässe hochgefahren. Doch bei diesen Straßen, die mich früher so beeindruckt haben, werde ich wieder zum Kind und meine Welt wird groß. Die Hügel meiner Jugend werden zu riesigen Herausforderungen und Orte, die hinter diesen Hügeln liegen, erscheinen mit dem Rad unerreichbar, obwohl sie nur wenige Kilometer entfernt liegen.

Wenn ich mich dann doch mal so einen unbezwingbaren Anstieg hochwage, ist er plötzlich gar nicht mehr so schlimm wie in meiner Erinnerung.  Ich schaffe es doch hinauf, sogar ohne Probleme, und entdecke neue Wege. Die Landkarte im Kopf vervollständigt sich und die letzten weißen Flecken verschwinden, an die ich mich früher nie herangetraut habe.

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Ein kleines Paradies

Jetzt erst entdecke ich die Schönheit meiner Heimat. Früher habe ich nicht darauf geachtet, war ja schließlich immer da und nichts Besonderes. Als Kind oder Teenie hat man ohnehin keine Augen für Natur (ich hatte sie zumindest nicht). Aber mir wird immer klarer, in welchem Paradies ich aufgewachsen bin, gerade zum Radeln.

Je öfter ich jetzt mit dem Rennrad die alten Straßen neu entdecke, desto wärmer wird mir um’s Herz. Klingt pathetisch, aber wahrscheinlich kommt das mit dem Alter, diese Rührseligkeit. Ich freue mich immer, wenn ich eine Straße wiederentdecke, von der ich gar nicht mehr richtig wusste, wo sie liegt. Ich entdecke Orte und Kreuzungen wieder und damit entdecke ich auch längst vergessene Erinnerungen, die ganz hinten lagerten im Gedächtnis. Und so vervollständigt sich nicht nur meine Landkarte im Kopf, sondern auch ich werde ein kleines bisschen vollständiger. Das geht nur beim Radeln dahoam. Ich freu‘ mich schon sakrisch auf meine nächste Rennradltour im Passauer Land.


Flach radfahren rund um Passau

Wer rund um Passau flach fahren möchte, für den bietet sich vor allem der Donauradweg an. Meine Winter-Grundlagenstrecken führten mich früher entweder von Passau auf der deutschen Seite flussabwärts, in Jochenstein dann auf die österreichische Seite und von dort wieder zurück oder flussaufwärts bis Hengersberg und von dort auf dem Donau-Ilz-Radweg etwas hügeliger zurück.

Hügelig radfahren rund um Passau

Hügelig geht überall: Wer nach Norden fährt, kann in den Ausläufern des Bayerischen Waldes Höhenmeter sammeln, im Süden bzw. auf der österreichischen Seite der Donau lockt der Sauwald mit schönen Anstiegen.

Berge zum Radfahren rund um Passau

Passau liegt natürlich nicht in den Alpen, nicht einmal in den Voralpen, aber in Reichweite sind genügend Anstiege, die ich bereits als „Berg“ ansehe. Im eben erwähnten Sauwald gibt es den Haugstein (895m) , der kilometerweit zu sehen ist. Im Bayerischen Wald bietet sich der Brotjacklriegel (1011m) oder der Dreisessel (1333m) zum Erklimmen an.

Empfehlungen für die Cappuccino-Pause

Wer Rad fährt, braucht auch mal eine Pause. Für leckere und besonders nachhaltige Genüsse gibt’s das Bio-Café Wagner in Ruderting. Und wer Süßes mag, ist beim Café Blaas in Hinding (auf der österreichischen Seite der Donau) genau richtig – da gibt’s eine ganze Palatschinken-Karte und dazu einen tollen Ausblick auf Passau.

Radvereine und Clubs rund um Passau

Mit allen bin ich gefahren und bei allen hab ich gelitten, aber dabei viel Spaß gehabt: Die Radlclubs und -vereine rund um Passau sind sehr aktiv und nur zu empfehlen. Mein Heimatverein ist der RSV Passau, ansonsten freuen sich sicherlich auch der RSC Tittling und die Rudertinger Rennsemmeln auf Mitfahrer.


Wie geht es Euch, wenn Ihr „nach Hause“ kommt?


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Carolyn Ott-Friesl

Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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Meine Ausrüstung:
Helm* - Brille* - Bluetooth-Kopfhörer* - Radsportbekleidung* - Radsportcomputer*

5 Gedanken zu “Mit dem Rennrad im Passauer Land – Radeln dahoam”

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