Immer wenn man denkt, es könnte gar nicht mehr dümmer werden, kommt Andreas Scheuer daher. Die neue Helmkampagne heißt jetzt nicht mehr #dankhelm und wirbt mit Darth Vader, sondern gleich ganz großspurig #helmerettenleben und wirbt – total naheliegend – mit den Models von Heidi Klums Topmodel-Show in Dessous. Ja, ganz ohne Fahrrad, richtig. Was das soll? Keine Ahnung. Aber das BMVI reibt sich schon einmal die Hände.
Denn die Kampagne schlägt hohe Wellen. Aber nicht wegen des erneuten Victimblamings, das wir schon von #dankhelm kennen und über das ich hier schon ausführlich geschrieben hatte. Sondern es geht nun um den Sexismus der Kampagne, der an sich schon unakzeptabel ist (Zumal Doro Bär noch Initiativen gegen Germany’s next Topmodel gefördert hatte, aber gut. Die CSU will halt doch nicht allzu jung und weiblich werden.)
Nix für den Radverkehr, aber ordentlich Stimmung gemacht
Dem BMVI, Andreas Scheuer und seinem Pressesprecher, dem Wolfgang Ainetter (ehemals Bildzeitung), kommt es gerade recht, dass ihr Stammklientel sich jetzt echauffieren kann über die Prüderie der Linken und Feminist/innen. Die Aufmerksamkeit ist ihnen sicher. Und das eigentliche Aufregerthema geht dabei unter: nämlich dass die Schuld wieder einmal den Schwächeren gegeben wird, die sich ja nicht ausreichend geschützt hätten, wenn ein LKW über sie drüber rollt.
Mal wieder eine wunderbare Nebelkerze, die davon ablenkt, dass das BMVI lieber billige Kampagnen fährt, als endlich mal zu arbeiten und einen viel wirksameren Beitrag zur Sicherheit von Radfahrern leistet: Nämlich eine adäquate Infrastruktur, ein Tempolimit innerorts von 30 km/h oder Kampagnen, die Rücksicht im Straßenverkehr fördern. Aber das würde ja heißen, dass man mal ernsthaft arbeiten müsste – ganz ohne effekthascherische Schaumschlägerei – und es kostet auch noch mehr Geld als eine billige Helmkampagne. Das ist natürlich undenkbar.
Also wurschteln wir Radfahrer uns halt weiter durch den Verkehr, „geschützt“ von einem Styroporteilchen auf dem Kopf, und hoffen, dass uns der nächste LKW-Fahrer beim Rechtsabbiegen nicht übersieht. Denn einen Abbiegeassistenten hat der LKW sicherlich nicht, da hätte Herr Scheuer ja mehr machen müssen als sinnfreie Symbolpolitik. Unrealistisch also.
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Carolyn Ott-Friesl
Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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3 Gedanken zu “#helmerettenleben: Jetzt kommt zum Victimblaming auch noch Sexismus dazu”
Liebe Caro,
auch ich habe als langjährige Rennradfahrerin bereits einige unschöne Erlebnisse im Straßenverkehr erlebt. Ich habe deinen anderen Artikel zu dem Thema gelesen und mich in der geschilderten Situation mit dem Lkw+Anhänger wiedererkannt. Nach meiner Erfahrung sind gerade die Situationen gefährlich, in denen Fahrzeuge – oftmals ohne jede Not – viel zu knapp überholen (1,5 m Abstand bleibt meist nur ein Traum), ggf. sogar um dann ein paar Meter weiter abzubremsen und rechts abzubiegen.
Ich kann dir jedoch nicht uneingeschränkt zustimmen, insbesondere erkenne ich das von dir angesprochene Victimblaming nicht. Denn ich finde, man sollte hier zwei Sachen nicht vermischen: das eine ist die Tatsache, dass sich leider zu viele Verkehrsteilnehmer ordnungswidrig verhalten; so ist z.B. das Überholen von Radfahrern mit 1,5 m Abstand durch die StVO und Rechtsprechung geklärt, ebenso die gegenseitige Rücksichtnahme, Schulterblick beim Abbiegen etc. pp. Wenn sich alle Verkehrsteilnehmer, in dem Fall die Fahrzeugführer, ordnungsgemäß – so wie in der Fahrschule gelehrt! – verhalten würden, wäre der Sicherheit des Radfahrers im Straßenverkehr enorm geholfen. Doch wenn sich Leute nicht an die StVO halten, werden weitere Ge-/Verbote nichts bringen. Sicherlich können im Einzelfall (gerade bei großen Fahrzeugen wie Lkw) technische Hilfen zum Schutz von Radfahrern beitragen, aber weder diese noch ein Tempolimit in der Innenstadt können verhindern, dass mich außerorts ein Kfz so knapp überholt, dass ich stürze oder buchstäblich unter die Räder komme. Ungeachtet dessen passieren auch bei größtmöglicher Sorgfalt Unfälle, teilweise sogar ohne dass ein anderes Kfz beteiligt ist – und hier komme ich zu dem zweiten Aspekt: wenn tatsächlich etwas passiert, dann ist es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hilfreich bis lebensrettend einen Helm aufzuhaben. Aber ich sehe immer wieder mit Schrecken Radsportler (damit meine ich nicht die ich-fahr-mal-schnell-ums-Eck-zum-Bäcker-mit-dem-Stadtrad-Fahrer), die ohne Helm fahren.
Es bleibt dabei, dass ich als Radfahrer das schwächste Glied im motorisierten Verkehr bin und somit alles, das in meinem (!) Einflussbereich liegt, unternehmen sollte, um meine eigene Sicherheit zu gewährleisten. Dazu gehört, wie von dir angesprochen, eine vorausschauende und defensive Fahrweise, gute Sichtbarkeit auf dem Rad und eben auch ein Helm. Denn ich habe im Straßenverkehr (egal ob im Auto oder auf dem Rad) schon zu viel gesehen, als dass ich mich darauf verlasse, dass die anderen sich an die Regeln halten. Daher halte ich von zusätzlichen Regelungen und Vorgaben recht wenig. Vielmehr sollten Kampangen gestartet werden, um die Autofahrer für die Belange der Radfahrer zu sensibiliseren. Sehr gut hat das z.B. bei der Rettungsgasse geklappt.
my two cents
Ich wünsche uns allen weiterhin eine gute und sichere Fahrt!
Hallo Caro,
ich bin recht neu auf deinem Blog und gestatte mir trotzdem in die Tasten zu greifen. Die Sache mit dem Radhelm hat noch mehrere Seiten, die ich lang nicht sehen wollte. Es geht beim tragen des Helmes doch in erster Linie um die Sicherheit des Radfahrers und hier denke ich, da ich auf einem Dorf wohne und eher über Landstrassen und asphaltierten Wirtschaftswegen unterwegs bin, nicht unbedingt in erster Linie um „die LKW’s“ (zu denen komme ich spärer nochmal zurück). Was meine ich da mit SIcherheit für den Radfahrer, auf den Landstrassen und abseits des Stadtgetümmels? Ich meine z.B. Rennradfahrer die bei einer bergab Fahrt versuchen neue Geschwindigkeitsrekorde zu erreichen. So z.B. einer meiner Bekannten beim diesjährigen 24 Stunden Amateurrennen auf dem Nürburgring – trotz Nebel, einer Sicht unter 10 Meter und Regen versuchte der so schnell als möglich die Abfahrt runter zu donnern – der Helm verhinderte schlimmeres, so war es nur das Schlüsselbein und der Arm der brach. Eine andere Radfahrerin, einer meiner Patientinnen, machte einen Fahrfehler mit dem RR bei sehr geringer Geschwindigkeit und landete auf dem Kopf, trotz Helm war sie an die 10 Minuten ohne Besinnung. Aus diesen geschilderten und vielen anderen Gründen ist es eine gute Sache die Radfahrer immer wieder darauf hinzuweisen, dass der Kopf durch das „Helmchen“ geschützt wird.
Zum Thema LKW Fahrer… die sind, genau wie wir Radfahrer, immer die „Dummen“, wie es scheint. Wenn man einen Buhmann im Strassenverkehr braucht, dann sind es die LKW-Fahrer. Meine Meinung ist die, der Gesetzgeber sollte zwingend einen Beifahrer vorschreiben – und die Verbraucher sollten akzeptieren, dass die Kosten dann eben ein wenig in die Höhe gehen, für ihre Sicherheit. A B E R, auf meinen Fahrten ab und an durch Landsberg am Lech, wo es teilweise Radwege gibt, die auch über Zufahrten zu Discountern, Tankstellen etc. führen sind meine Erfahrungen, dass ich als Radfahrer eben auch mitdenken muss und sollte. Auch für mich als RR Fahrer oder als Radfahrer gilt, dass ich vorausschauend fahren sollte und die Stadt eben kein Platz ist, wo man Höchstgeschindigkeiten versuchen sollte zu erzielen.
Zum Thema Bilder und Sexismus, da halte ich mich mal raus, denn da habe ich eine ganz andere Meinung, die sich aber in so einem kurzen Beitrag nicht wirklich darstellen lässt. Eines sei aber gesagt, ich denke, dass dieses Fotoshooting für die Models nicht schlimmer war, als die Teilnahme an der „Casting Show“ der (gehirnamputierten) H.K. und allen die an der Sendung mitwirken. Darum lohnt der aufreger wirklich nicht… 😉