Der Großglockner. Der höchste Berg Österreichs mit 3798 Metern. Er hat uns nicht losgelassen, den besten Mann der Welt und mich. Es war unser fester Plan, diesen Berg im Rahmen unseres kleinen Alpenabenteuers mit dem Rennrad zu bezwingen – leider hat das Wetter dann nicht so mitgespielt, wie wir uns das vorgestellt hatten. Mit einer Unwetterwarnung auf 2500 Metern wollten wir das Glück jetzt nicht unbedingt herausfordern.
Glücklicherweise wohnen wir ja nun nicht ganz so weit weg von der österreichischen Grenze. Knappe zwei Autostunden trennen uns von Bruck an der Großglocknerstraße, dem Ort am Fuß dieses mächtigen Bergs. Und diese zwei Autostunden haben uns nicht davon abgehalten, auf besseres Wetter zu warten und einfach doch noch hinzufahren, rüber in die Hohen Tauern, der geographischen Mitte der Ostalpen, und den Großglockner in Angriff zu nehmen.
Heute gibts keine Unwetterwarnung, nur Schönwetterwölkchen am blauen Himmel. Wir finden einen Parkplatz am Bahnhof in Bruck. Von hier aus ist der Großglockner schon zu sehen und ich werde direkt ein bisschen nervös. Schließlich werde ich, wenn alles klappt, heute so einige persönliche Rekorde meiner „Radsportkarriere“ brechen. Noch nie war ich mit dem Rennrad höher als die 2504 Meter vom Hochtor (mit dem Mountainbike schon), noch nie habe ich so viele Höhenmeter am Stück an einem einzigen Berg bewältigt.
Also die Räder ausgepackt, nochmal an der unterwegs gekauften Nussschnecke geknabbert, einklicken und los gehts. Wir lassen Bruck, das auf 750 Meter liegt, hinter uns und die Straße steigt direkt nach dem Ortsschild an. Aber alles noch im grünen Bereich, dank Rückenwind rollen wir die leichte Steigung fast mühelos bergan. Das geht die ersten neun Kilometer so, die wir mit einem knappen 25er Schnitt hinter uns bringen. Ab Kilometer neun beginnt dann endlich der langerwartete Spaß: Die Straße neigt sich merklich nach oben, ab jetzt sind die Steigungsprozente fast nur noch zweistellig. In Kurven und durch eine Galerie geht es durch viel Grün, der Schatten der Bäume kommt mir bei fast 30 Grad sehr gelegen. Zwar sind viele Autos und Motorräder unterwegs, aber es gibt kaum kritische Situationen.
Nach einigen Kilometern wird die Straße breiter, die Fahrspur teilt sich in viele und die Mautstation tut sich vor uns auf. Die Sonne brennt runter und auf uns warten noch 15 Kilometer bergauf. Deswegen entscheiden wir uns dafür, nochmal ein kühles Getränk zu kaufen. Die Mautstation wimmelt vor Touristen – gut, dass wir uns schnell aus dem Staub machen.
Wir folgen der Fahrradspur und passieren die Schranke für Radfahrer. Kurz nach der Schranke könnte man auch den Stoppomat starten, der die Zeit von der Mautstation bis zum Fuschertörl zählt. Der Stoppomat ist aber leider zwischen 9 und 15 Uhr außer Betrieb, wohl um Radfahrer aus den verkehrsreichsten Zeiten herauszuhalten – da sind wir leider zur falschen Zeit da.
Direkt nach der Mautstation geht es wieder steil nach oben. Der beste Mann der Welt setzt sich gleich ab von mir und verschwindet langsam aus meinem Sichtfeld. Kein Wunder – unsere Übersetzungen sind sehr ungleich verteilt, bei meinem Tempo würde er wohl umfallen (Ich liebe meine 34-34-Übersetzung!).
Ich arbeite mich voran und obwohl auch hier die Steigungsprozente stabil zweistellig bleiben, habe ich keine Probleme. Die Superkompensation des Triathlons wirkt wohl noch ein bisschen nach, ein Glück. Nach einiger Zeit taucht die erste Kehre auf, die erste von vielen. Sehr angenehm, in der Kurve mal ein bisschen flacher kurbeln zu können. Außerdem sind die Höhenmeterangaben ungemein praktisch. Die erste Kehre liegt bereits auf 1392 Meter – das bedeutet: mehr als 600 Höhenmeter sind schon geschafft. Kommen nur noch… ach, lassen wir das.
Seit der Mautstelle führt die Straße nicht mehr zwischen Bäumen entlang, ab hier beginnt die Hochalpenstraße und der Ausblick ist einfach atemberaubend. Von den umliegenden Bergen lacht uns weißer Schnee an, einige Wölkchen verfangen sich in den Gipfeln. Berge, man muss sie lieben.
Nicht so sehr liebe ich die vielen Sportwägen und Motorräder, die an uns vorbei donnern. Aber das könnte sicherlich schlimmer sein, die allermeisten Überholmanöver laufen vernünftig ab.
Das Bergauffahren wird langsam zur Meditation. Kurbeln, kurbeln, Ausblick genießen, kurbeln. Hin und wieder hört man ein Murmeltier pfeifen. Kehre um Kehre zieht an mir vorbei, ich werfe mir zwischendrin noch einen Riegel ein. Und so langsam, so auf 2000 Metern, wird es doch langsam zäh. Meine Lust, noch weiter hinauf zu fahren, verflüchtigt sich langsam. Der beste Mann der Welt wartet an einem Parkplatz auf mich und meint: „Gleich sind wir da, schau, da vorne ist schon das Tor!“ Ich bin verwirrt. Hieß es nicht, da kommt nochmal eine kurze Abfahrt vor dem Hochtor? Egal. Weiter gehts!
Auf der Straße sind die Bemalungen vergangener Rennen zu sehen. Schon beeindruckend, wenn man sich vorstellt, 2000 Höhenmeter im Renntempo hier hochzubrennen.
Es geht noch einmal gerade und steil nach oben, dann ist das Tor erreicht. Mit meiner Skepsis sollte ich allerdings Recht behalten: Das ist noch nicht oben. Wir sind erst am Fuschertörl. Hier ist der Ausblick zwar wunderschön und wir sind immerhin auch schon auf 2428 Metern, aber das Hochtor, der höchste Punkt unserer Tour, ist noch nicht erreicht.
Also nochmal aufgestiegen auf mein hübsches Rad und weiter die Straße entlang. Es geht erst einmal bergab. Knappe 150 Höhenmeter verlieren wir auf dem Weg zur Fuscher Lacke, einem kleinen See. Das müssen wir danach natürlich wieder hochstrampeln. Es geht zunächst durch einen Tunnel, hier ist ein kleines Licht am Rad auf jeden Fall sinnvoll.
Danach öffnet sich eine tolle Berglandschaft – während es weiter stetig bergauf geht. Der zweite Tunnel, hinter dem sich das Hochtor verbergen soll, ist schon von weitem zu sehen. Die letzten Kurven hinauf zum Tunnel beißen noch einmal kräftig in die Waden. Nur noch kurz eintauchen in die Dunkelheit des Tunnels, wieder zurück ins Licht rollen und wir sind da.
Vor uns breiten sich verlockende Serpentinen aus, die bergab Richtung Lienz führen. Die Aussicht – klar – ist der Hammer. Ich bin zum ersten Mal auf 2504 Metern mit dem Rennrad und bin sehr stolz. Knapp 2000 Höhenmeter auf gerade einmal 35 Kilometern haben wir zurückgelegt, um diesen Punkt zu erreichen. Schon toll, zu was die Beinchen fähig sind, wenn man sie mal richtig fordert.
Dass wir gerade richtig hoch sind, merkt man auch an der Temperatur. Waren es unten in Bruck knapp 30 Grad, hat es oben am Hochtor gerade mal noch frische 10 Grad. Bevor wir zu sehr auskühlen, machen wir uns lieber auf den Weg zurück nach unten Also die Windweste drübergestreift, Armlinge drangeworfen und ab geht die wilde Fahrt, zurück durch die beiden Tunnel.
Ich hatte es schon fast verdrängt – aber da war ja noch die Gegensteigung. Meine Beine sind schon ziemlich kühl und leer – da geht es noch einmal in zweistelligen Prozenten hinauf zurück zum Fuschertörl. Irgendwie kriege ich auch das noch gebacken. Besonders motivierend ist der Reiseradfahrer, den ich überhole, der sich mit dicken Gepäcktaschen hier hochquält. Wenn der hier hochkommt, muss ich wirklich nicht jammern.
Noch einmal ein kurzer Fotostopp am Fuschertörl, dann schmeißen wir uns endgültig in die Abfahrt. Für mich Angsthasen eine echte Herausforderung, auch wenn ich mit dem Trek Émonda viel sicherer bin als früher. Trotzdem halte ich auf halber Strecke nach unten mal kurz an, um zu checken, ob das meine Bremsen sind, die so verbrannt riechen. Ja – sind sie 😛 Ich muss wirklich an meiner Abfahrtechnik feilen…
Die letzten neun Kilometer sind ein Genuss. Die Straße neigt sich leicht nach unten und wir rollern zurück nach Bruck. Ich bin superkaputt, aber auch richtig stolz. Diese Auffahrt hat echt Körner gekostet, aber es hat sich so sehr gelohnt. Und ich bin mir sicher, das wird nicht der letzte Besuch am Großglockner gewesen sein. Schließlich waren wir noch nicht an der Stichstraße zur Edelweißspitze, die etwas unterhalb des Fuschertörls abzweigt und auf 2571 Höhenmetern endet. Das wäre dann endgültig der höchste Punkt hier am Großglockner. Never stop exploring, wie es so schön auf Instagram heißt. In search of up, jetzt umso mehr.
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Carolyn Ott-Friesl
Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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4 Gedanken zu “Großglockner mit dem Rennrad: episch, steil und dieser Ausblick!”