Der kalte Regen klatscht mir ins Gesicht. âZwei Gradâ, erklĂ€rt der Jedermann neben mir mit unglĂ€ubigem Blick auf seinen Radcomputer. Meine HĂ€nde sind eingefroren. Bremse ich eigentlich noch? Gut wĂ€re es, schlieĂlich rolle ich mit meinem Rad gerade den GroĂen Feldberg hinunter. Das Problem ist: ich sehe nicht mehr viel. In meinem rechten Auge haben sich Wasser und StraĂendreck gesammelt, also eiere ich einĂ€ugig hinunter. Die Entscheidung, das Rennen mit kurzer Hose in Angriff zu nehmen, war nicht die beste meines Lebens. Aber ob nasse Beinlinge die bessere Wahl wĂ€ren?
Botschafterin fĂŒr #DeineTour
Aber von vorne. Dass ich zum ersten Mal in Eschborn am Start stehen darf, habe ich #DeineTour zu verdanken. Als Botschafterin fĂŒr die Profirundfahrt Deutschlandtour, die nĂ€chstes Jahr nach einigen Jahren endlich wieder zum Leben erweckt wird, darf ich als eine der ersten das frisch von Tourmakerin Annika designte #DeineTour-Trikot bei der Velotour Eschborn-Frankfurt ĂŒber 80 Kilometer testen. (Wer so ein Trikot samt Unterschrift von John Degenkolb gewinnen möchte, sollte noch bis Freitag, 5.5.2017 um 20 Uhr, hier mitmachen!)
Und das Rennen gehe ich recht spontan an – nur wenige Tage vorher steht fest, dass ich fahre. Hm, ich beim Jedermannrennen? Das hatte ich bisher nur einmal versucht – Rund um Köln 2008. Die Ălteren đ werden sich erinnern: Wintereinbruch, Schneetreiben, Chaos rund um Köln, Rennabsage. Also war ich damals umsonst von Bayern nach Nordrhein-Westfalen getuckert. Tja, hoffentlich kein schlechtes Omen fĂŒr mein Jedermann-Revival.
Bereits am Vortag des Rennens reise ich nach Eschborn an und hole gemĂŒtlich meine Startnummer ab. Claude von cycling.claude.de verpasse ich dort leider knapp, aber ich hoffe sehr, das Meet & Greet können wir beizeiten nachholen! Danach radle ich weiter zum Pressezentrum. Hier wuseln lauter bekannte Radsportgesichter herum, zum Beispiel Fabian Wegmann, der zum ersten Mal als „Regulateur“ im Einsatz ist, also die Presse- und Teamfahrzeuge wĂ€hrend des Profirennens koordiniert, oder der ehemalige Bahnradprofi Robert Bengsch, der als Sprecher beim Jedermannrennen uns Breitensportler motivieren soll.
Ich darf dabei sein beim Team Manager Meeting, bei dem die Reihenfolge der Teamfahrzeuge ausgelost und allgemeine Infos an die sportlichen Leiter weitergegeben werden. SpĂ€ter gibt es noch ein „Get Together“, bei dem John Degenkolb, Alexander Kristoff, AndrĂ© Greipel und Marcel Sieberg vor versammelter Presse ihre Prognose zum Rennen verkĂŒnden und zu Ehren von Geburtstagskind Sibi ein GlĂ€schen Schaumwein gereicht wird.
Und dann wird es langsam ernst. ZurĂŒck im Hotel bereite ich alles vor, hefte die Startnummer an mein nagelneues #DeineTour Trikot, befĂŒlle die Trikottaschen mit Riegeln und Pumpe, fummle den Transponder an die Gabel und stelle den Wecker auf 6 Uhr 45. Noch ein Blick auf die Wetter-App – sehr gut, der Regen am nĂ€chsten Tag soll erst am Nachmittag kommen. Da bin ich hoffentlich schon lange im Ziel.
Startschuss in Eschborn
Der Wecker klingelt, rein in die Radklamotten und ab zu einem schnellen FrĂŒhstĂŒck. Wie immer vor einem Rennen bringe ich fast nichts herunter. In den Sattel geschwungen und locker Richtung Start, dort treffe ich die anderen #DeineTour Botschafter, die auch schon ganz aufgeregt umherwuseln und fröhlich dem Start entgegenfiebern.
Es folgt die Startaufstellung, ein halbes StĂŒndchen warten, frösteln, Selfies machen und schon fahren wir los. Die ersten Kilometer fliegen nur so dahin, rasant geht es in die Frankfurter Innenstadt und wieder hinaus. Ich wehre mich gegen ein Dasein als „chasse patate“ und hĂ€nge mich an jedes versprengte GrĂŒppchen, das ich zu fassen bekomme. Die erste Rennstunde verfliegt mit einem Schnitt von ĂŒber 30 km/h – Hui!
Hallo Feldberg!
Die ganze Zeit warte ich darauf, dass wir Oberursel erreichen. Denn danach geht es in den Anstieg zum GroĂen Feldberg und ich bin sehr gespannt, wie sich meine Beine so anfĂŒhlen nach der Tempoeinheit wĂ€hrend der ersten Kilometer. Die Stimmung im Feld ist gut, kollegial werden Löcher zugefahren und wann immer ich radcomputerloses Ding frage, wie weit wir bereits gefahren sind, bekomme ich freundlich Antwort. GetrĂŒbt wird die positive Stimmung nur von dem Kollegen, der neben seinem Fahrrad mitten auf der StraĂe liegt, wohl bewusstlos und umgeben von einigen Ersthelfern. Ich hoffe, ihm und allen anderen wĂ€hrend des Rennens GestĂŒrzten ist nichts Schlimmeres passiert.
Nach der Durchfahrt durch einige Stimmungsnester geht es endlich in den Anstieg. Schön gleichmĂ€Ăig und nicht zu steil fĂŒhrt die StraĂe hinauf, die Kette aus hunderten Radfahrern rollt bergan. Meine Beine sind anfangs noch trĂ€ge, nach ein, zwei Kilometern kurbelt es sich aber recht locker und ich fange an, nach und nach Mitstreiter einzusammeln. LĂ€uft doch ganz gut! Nur fĂ€ngt es langsam an zu nieseln und ich fange an zu frösteln mit meiner kurzen Hose. Ich verschwende erste Gedanken an die Abfahrt. Wenn mir jetzt bergauf schon kĂŒhl ist, wie wird das dann erst bergab?
Eine Mitstreiterin warnt mich, dass es kurz vor Schluss noch einmal knackig steil wird. Soll mir recht sein, ich bin gut drauf und warm wirds so auch! Aber ich bekomme gar nicht richtig mit, wie wir das knackige StĂŒck passieren, denn schneller als erwartet erreiche ich die Kuppe. Inzwischen regnet es richtig ekelhaft. Gibt es hier einen Verpflegungsstand? Etwa mit warmem Tee? Ach ne, alle stehen hier rum, um ihre Regenjacken ĂŒberzuziehen. Nicht ich. Ich habe ja einem groĂen Wetterportal vertraut, dass es erst nachmittags zu regnen anfĂ€ngt. Vielen Dank, wetter.com!
Also drĂŒber ĂŒber die Kuppe und los geht die wilde Fahrt. So wild wird sie aber gar nicht, denn der Regen wird immer heftiger, die StraĂe immer nasser und meine Reifen gefĂŒhlt immer rutschiger. Im Schneckentempo taste ich mich zusammen mit anderen Teilnehmern die Serpentinen hinunter. Vielleicht wĂ€re schwimmen schneller?
Jedenfalls wird es schnell immer kĂ€lter. Die HĂ€nde frieren ein. Die Beine glĂŒhen rot. Haben die in Hessen etwa noch Winter? Durch meine Schuhe flieĂen mehrere eiskalte WildbĂ€che. Die Abfahrt sah auf diesem Höhenprofil so verdammt lang aus. Aber sie fĂŒhlt sich noch viel lĂ€nger an. Irgendwann spritzt Dreck in mein Auge. Halbblind geht es weiter, ich reibe den Dreck noch etwas sorgfĂ€ltiger ins Auge und sehe noch weniger.
Ich muss kurz anhalten, sonst sehe ich gar nichts mehr. Langsam beginnen die Beinchen zu zittern, das Dosieren der Bremsen ist ziemlich unmöglich mit meinen Eiszapfen-HĂ€nden. Der nette Polizist, neben dem ich zum Stehen komme, weiĂ leider auch nicht, wie lang die Abfahrt noch geht. Aber er hat starke Zweifel, dass dieses bibbernde Etwas vor ihm noch weiterfahren kann und bietet mir an, mich in den Polizeibus zu setzen. „Ach, jetzt ist es doch auch schon egal“, schlottere ich ihm entgegen, reibe meine Augen, jetzt nur noch viertelblind, und klicke tapfer wieder ein.
Droht der KĂ€ltetod?
So eine Abfahrt dauert verdammt lang, wenn man friert. Ich habe tiefsten Respekt vor allen, die auf die lange Schleife Richtung Mammolshain abbiegen und nicht wie ich den schnellsten Weg ins Ziel suchen. Kurz wird mir ganz warm. Moment, ist das nicht ein Zeichen fĂŒr den nahenden KĂ€ltetod? GlĂŒcklicherweise wird es gleich wieder kalt, so schlimm kann es also gar nicht sein und meine Muskeln zittern fröhlich weiter. Im Zickzack geht es durch ein paar Ărtchen, die StraĂe wird flacher und ich fĂŒhle mich fast betrunken.
Mein Körper scheint gerade ziemlich am Limit zu kratzen, aber endlich darf ich wieder treten und die Bremsen loslassen.
Das GefĂŒhl kehrt langsam zurĂŒck in meine Beine und weit kann es jetzt nicht mehr sein. An Windschattenfahren ist nicht zu denken, weil jeder Fahrer eine fette WasserfontĂ€ne hinter sich herzieht. Dreck habe ich wahrlich schon genug im Auge. Ich bin im Tunnel und denke gar nichts mehr. Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, jemals irgendwann wieder warm zu werden. Jeder Schaltvorgang ist ein Kraftakt.
Ich versuche aus den StraĂenschildern schlau zu werden, wie weit es noch ist. Aber die haben da nirgends Kilometerangaben. Eschborn ist schon lange angeschrieben, aber wie weit ist es noch bis dahin? Beinahe endlos kommen mir die letzten 15 Kilometer vor. Und dann geht es doch ganz schnell: Runter von der SchnellstraĂe, um die Kurve und huch! Da ist der Zielbogen!
Es schĂŒttelt mich vor KĂ€lte hin und her, genau wie alle anderen, die mit mir ins Ziel einrollen. Ein paar Teilnehmer sind völlig am Ende und brauchen medizinische Versorgung. Mir ist einfach nur kalt, deshalb lasse ich alle Essens- und GetrĂ€nkestĂ€nde links liegen und pedaliere so schnell wie möglich zu Fabian, unserem #DeineTour-Betreuer, der meine trockenen Sachen in Verwahrung hat. Ein trockenes Langarmtrikot, gibt es etwas Schöneres auf dieser Welt? Im Moment nicht. AuĂer vielleicht einer heiĂen Dusche.
Die genieĂe ich dann auch ausgiebig. Am liebsten wĂŒrde ich gleich danach im Hotelbett liegen bleiben. SchlieĂlich ist es da warm und drauĂen nass und kalt. Aber der Checkout droht. Also packe ich zusammen, verabschiede mich wehmĂŒtig von der warmen, flauschigen Bettdecke und besteige die S-Bahn in die Frankfurter City.
Das Wetter hat sich leider kaum gebessert, deshalb ist zwischen den HochhĂ€usern des Finanzzentrums viel zu wenig los fĂŒr so ein Traditionsradrennen wie Eschborn-Frankfurt. Regenschirmparade, wohin das Auge blickt. Die Junioren liefern trotz der widrigen Bedingungen ein Spektakel ab und die Laufradrennen der Kleinsten sind ungefĂ€hr das SĂŒĂeste, was ich jemals gesehen habe. Ich mache noch einen Abstecher in luftige Höhen bei Bora und genieĂe tolles Essen weit ĂŒber dem Ziel baumelnd.
Dann ist es endlich soweit, die Profis biegen auf die letzten drei Runden ein. Mir tun die Jungs echt leid, schlieĂlich war ich vor ein paar Stunden noch genauso durchnĂ€sst und durchgefroren. Nur, dass ich gerade einmal 80 und die Profis mehr als 200 Kilometer durch den Regen mussten. Es wird laut, inzwischen sind die Zuschauerreihen rund um das Ziel gut gefĂŒllt und es kommt richtig Stimmung auf wĂ€hrend der letzten drei Runden. In beeindruckender Manier gewinnt Alexander Kristoff – wie immer in den letzten Jahren đ Der tolle Abschluss eines vollgepackten Radsportwochenendes, bei dem ich viele tolle Menschen kennenlernen durfte. Was will man mehr? Aber irgendwann nehme ich den Feldberg noch einmal in Angriff. Im Höchsthochsommer.
Carolyn Ott-Friesl
Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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Meine AusrĂŒstung:
Helm* - Brille* - Bluetooth-Kopfhörer* - Radsportbekleidung* - Radsportcomputer*
7 Gedanken zu “Jedermannrennen Eschborn-Frankfurt – Heldenwetter am Feldberg”
Das Gute ist ja, wenn Du auch in Köln fahren solltest, hier scheint immer die Sonne… und nein 2008 gilt nicht, da war der Start ja in Leverkusen đ
FĂŒr solche Wetterkapriolen hab ich nur eine Antwort, und die lautet: Castelli Gabba2 + Nanoflex Bibshort /Armlinge / Beinlinge + Windstopper Handschuhe und Gamaschen. Warm und trocken, hat mir manches Mal schon den Tag gerettet. đNicht umsonst tragen viele Profis das đ
Wieviel Grad waren denn vorhergesagt an dem Tag?
Hi Caro,
ein Treffen klappt bestimmt bald, spÀtestens aber auf der Eurobike:-).
LG
Claude
Ich hoffe es doch sehr! Liebe GrĂŒĂe đ