Schwimmen. FĂŒr mich kleine TriathlonanfĂ€ngerin noch echt mysteriöses Zeug. Aber ich will mich ja weiterbilden und vor allem beim Schwimmen im Chiemsee nicht untergehen, deswegen habe ich mir kompetente Hilfe geholt.
Stephan Goldmann – Journalist, GrĂŒnder von triathlon-tipps.de, Finisher der Langdistanz in Roth und einer der ersten, der mir einfĂ€llt, wenn es um Triathlon-Experten geht – hat sich dankenswerterweise bereit erklĂ€rt, mir ein paar AnfĂ€ngerfragen zu beantworten. Seit 2004 ist er im Triathlonsport aktiv, von daher weiĂ er, von was er spricht!
Ciclista: Ich hab ja im Training immer Hemmungen und trau mich nicht so richtig, also: wer darf auf die Sportbahn im Hallenbad und gibt es da irgendwelche ungeschriebenen Gesetze?
Stephan: Ja und nein. Ich wĂŒrde sagen, gesunder Menschenverstand und etwas EinfĂŒhlungsvermögen reicht schon.
Zu Beginn und fĂŒr relativ statische Ăbungen, wie sich einfach aufs Wasser legen oder Sculling, sollte ich die Sportbahn meiden. Da werden meist feste Programme auch in bestimmten Tempi abgespult. FĂŒr die oft ehrgeizigen Triathleten ist es wichtig, dass sie diese Programme auch gut absolvieren. Und da lautet die Regel fĂŒr AnfĂ€nger: „Behindere die Schnellen nicht“.
Das heiĂt, dass ich mich als AnfĂ€nger bemĂŒhe, möglichst am Rand der Bahn zu schwimmen, sodass schnelle Schwimmer vorbeikönnen. Oder am Beckenende nicht „in der Wende zu stehen“, also den Platz in der Mitte freizuhalten, damit andere dort die Rollwende absolvieren können. Einfach daran denken: Da sind hinter mir noch welche und die sind eventuell schneller.
Andersherum hat jeder Triathlet mal klein angefangen und kaum ein Triathlet ist ein WIRKLICH guter Schwimmer. Also sollten auch die besseren Schwimmer RĂŒcksicht nehmen.
Konkret heiĂt das fĂŒr Dich: Geh auf die Sportbahn, wenn Du Strecke machst. Auch wenn es langsam ist. Bei jedem, der Dich ĂŒberholt und dabei vielleicht sogar trifft, stört oder nur deprimiert, denkst Du Dir einfach „das kommt im Wettkampf hundert Mal auf mich zu, danke fĂŒr die Gelegenheit zur Ăbung!“
Ciclista: Wie lange darf man Mitschwimmer unter Wasser halten, wenn einer (so richtig) reinrotzt oder auf der ĂŒberfĂŒllten Bahn plötzlich den Schmetterling macht? Oder gehört das da zum guten Ton?
Stephan Goldmann: Schwere Frage. Persönlich finde ich es nicht gerade lecker, wenn einer das so richtig ins Wasser macht. Aber gewöhn Dich daran, dass im Becken allerhand rumschwimmt. Denn auch im Wasser können wir unter UmstĂ€nden SchweiĂ abgeben und der Rotz kommt eh aus der Nase bei Anstrengung. Nur sieht man es beim Schwimmen halt nicht so. Einige schnauben das am Beckenrand in den Ablauf des Wassers – besser so, als vor Dein Gesicht.
Und wenn einer plötzlich den Schmetterling macht, und dabei x Leute trifft, dann wird er schon eine Antwort bekommen. Allerdings habe ich mehr Angst vor Brustschwimmern, die einen weiten Beinschlag machen. Und Lagen gehören eben auch zum Sportschwimmen.
Ciclista: Sind die Schwimmer beim Triathlon denn genauso aggro wie auf der Sportbahn?
Stephan Goldmann: Ha! Noch mehr! Da haben alle den Tunnelblick und wollen sich gerade beim Start durchsetzen. Und wenn jemand im Weg ist, dann schwimmen sie auch teilweise ĂŒber denjenigen drĂŒber. Also: ja.
Ciclista: Na toll, groĂe Freude! Was ist sonst der gröĂte Unterschied zwischen Becken und Freiwasser? Und lassen sich die Zeiten im Becken nach drauĂen ĂŒbertragen?
Stephan Goldmann: Nein. Wenn ich drauĂen einen Neo trage, bin ich am Ende vermutlich schneller als auf der Bahn. Ohne Neo kann es sein, dass die Zeiten langsamer sind im Freiwasser. SchlieĂlich fehlt mir drauĂen beispielsweise der Schwung nach dem AbstoĂen, den ich auf der Bahn habe. Im Freiwasser schwimme ich auĂerdem oft Umwege – kannst ja mal probieren: Fixiere im See ein Ziel, schlieĂe die Augen und schwimme gefĂŒhlt darauf zu. Ich bin dabei schon mal einen Halbkreis geschwommen. Orientierung ist das groĂe Ding, dass Du auf der Bahn kaum ĂŒben kannst. Und das wiederum vermasselt Dir die Schwimmzeit ungemein und wenn Du viel Umweg schwimmst, raubt es Dir Energie fĂŒr die nĂ€chsten Disziplinen.
Ciclista: Wenn man beim Kraulen nicht so fit ist, darf man dann beim Triathlon auch brustschwimmen?
Stephan Goldmann: Logo. Tun viele auch beim ersten Triathlon oder streckenweise zur Sicherheit, etwa wenn sie Wasser geschluckt haben. Gegen Brust ist nichts einzuwenden, es ist halt auf lange Strecken kraftraubender.
Ciclista: Wenn man sich wie ich jetzt einfach vornimmt, sich jede Woche ein bis zwei Mal ins Nass zu wagen: Wie trainiert man da am besten? Einfach immer weiter schwimmen, bis man irgendwann die Wettkampfdistanz am StĂŒck kraulen kann?
Stephan Goldmann: Willst Du nachhaltig trainieren? Dann reicht Strecke machen nicht. Ich wĂŒrde behaupten, dass im Schwimmen die Technik und der Stil wichtiger sind als bei den anderen Disziplinen.
Wasserlage ist das A und O. Wasser bietet mehr Widerstand als Luft. Darum ist es umso wichtiger, eine hydrodynamische Haltung zu erlernen. Ich sehe auf der Bahn viele, die machen alles mit Kraft, nutzen gar schon Paddels, schlagen wie wild mit den Beinen, aber hĂ€ngen fast im 30 Grad Winkel im Wasser. Sie verschwenden all ihre Energie, kommen schon mĂŒde aufs Rad.
Ciclista: Dann mal zur AusrĂŒstung – Ich bin ja von Natur aus faul, daher kommt mir der Aufwand mit dem An- und Ausziehen des Neoprenanzugs schon ziemlich ĂŒbertrieben vor. Ich hab‘ ja mit Schwimmen und Laufen schlieĂlich schon genug zu tun. Wie dringend braucht man denn so ein Neoprenteil, wenn man im sommerlichen Chiemsee 1,5 Kilometer schwimmen möchte und geht das auch ohne?
Stephan Goldmann: Klar geht das ohne auch. Der Neo bietet aber eben Vorteile gerade fĂŒr AnfĂ€nger. Der Auftrieb des Neos bringt viele Schwimmer automatisch in eine bessere Wasserlage, dadurch werden sie schneller und verbrauchen weniger Energie.
Die andere Frage ist: Wie kÀlteempfindlich bist Du? Der Neo hat ja den Sinn Dich zu wÀrmen. Ich schÀtze mal, Du wirst um eine halbe Stunde herum benötigen. Seewasser kann Dir da schon die WÀrme rausziehen.
Im AllgĂ€u bin ich mal bei 16 Grad Wassertemperatur geschwommen. Glaub mir: Nicht ohne Neo! Das Schlimme war, dass es drauĂen neun Grad hatte. Ich wollte am liebsten den Neo zum Radfahren anlassen.
Ciclista: Ok, darĂŒber sollte ich also noch nachdenken. Ein letzter Survivaltipp fĂŒr Schwimmnoobs?
Stephan Goldmann: FĂŒhl Dich nicht angegriffen im Wasser. Jeder versucht, sein Ding zu machen. Beobachte die anderen, ihre ArmzĂŒge, das Eintauchen der HĂ€nde, die Beine, die Wasserlage, wie viel sie Wasser aufspritzen lassen. Mit der Zeit siehst Du jemanden, der einen tollen Stil hat. Beobachte die Person.
Und dann noch ganz wichtig: Suche den SpaĂ und den Flow im Schwimmen. Schwimmen kann sich anfĂŒhlen wie Fliegen … wenn Du gleitest, fast ohne Widerstand, nur ab und zu angetrieben von einem Armzug und einigen zarten aber effektiven Beinbewegungen …
Ciclista: Das klingt gut – aber bis dahin hab ich wohl noch viel zu tun đ Vielen lieben Dank fĂŒr Deine Antworten, Stephan!
Buch „Du kannst Triathlon“ von Stephan Goldmann
Stephan Goldmann hat ein Buch fĂŒr uns TriathlonanfĂ€nger geschrieben:
„Du kannst Triathlon*“, auch mit vielen Tipps zum Thema Schwimmen đ
Happy Training!
Carolyn Ott-Friesl
Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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Meine AusrĂŒstung:
Helm* - Brille* - Bluetooth-Kopfhörer* - Radsportbekleidung* - Radsportcomputer*
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