Wir haben sie alle noch im Kopf, die Bilder des jubelnden John Degenkolb, der letztes Jahr als erster über die Ziellinie im Velodrom von Roubaix sprintete. Morgen ist es wieder Zeit für eines der spektakulärsten Rennen des Jahres: Paris-Roubaix wird mit seinen legendären Kopfsteinpflaster-Sektoren wieder tausende Fans an die Strecke und vor den Fernseher locken.
Andreas Schillinger vom Team Bora-Argon18 nahm den Klassiker schon fünf Mal unter die Räder, wurde dort ausgiebig durchgerüttelt und konnte in der letzten Ausgabe einen hervorragenden 16. Platz verbuchen. Er weiß also ziemlich genau, was da morgen auf ihn zukommt. Netterweise nahm er sich kurz vor dem Rennen die Zeit, einige Fragen von mir zum Radsportmonument Paris-Roubaix zu beantworten.
CICLISTA: Andreas, mit welchem Gefühl steht man an der Startlinie eines großen Klassikers wie Paris-Roubaix?
ANDREAS SCHILLINGER: Das Gefühl ist schwer zu beschreiben. Ich würde es als eine Mischung von Nervosität, Stolz und Respekt vor der Strecke beschreiben. Es ist jedes Jahr ein ganz besonderes Rennen am Ende meiner Klassiker Saison.
Du warst jetzt schon einige Male bei Paris-Roubaix dabei, was macht dieses Rennen so außergewöhnlich?
Das ist eigentlich ganz einfach. 57 Kilometer Kopfsteinpflaster von der ganz üblen Sorte machen dieses Rennen so speziell. Man kann dieses Pflaster nicht mit dem Pflaster in deutschen Innenstädten vergleichen. Es trifft die Sache wahrscheinlich eher, wenn man sich vorstellt, dass ein Helikopter über einen Acker fliegt und Steine aus dem Fenster wirft, über die wir dann fahren müssen. Das gibt’s in keinem anderen Rennen.
Ihr habt die Strecke schon besichtigt. Welchen Eindruck hast Du bezüglich der Bedingungen am Sonntag?
Wir mussten gestern beim Recon (Anm. d. Red.: Streckenbesichtigung) leider feststellen, dass alle Pflaster noch vor Ort sind. 😀 Im Ernst: Gestern waren einige Teile auf den einzelnen Sektoren nass oder feucht. Das kann sich bis Sonntag noch ändern, allerdings ist für Samstagnachmittag ebenfalls Regen angesagt und somit können wir davon ausgehen, dass es mit Sicherheit hier und da rutschig wird. Allerdings sind diese Einflüsse für uns alle gleich und jeder weiß, wie er damit umzugehen hat, hoffe ich.
Was verändert Ihr an Euren Rädern für Paris-Roubaix? Breitere Reifen, doppeltes Lenkerband?
Wie du schon sagst, wir fahren breitere Reifen. Speziell für dieses Rennen entwickelte Vittoria einen 28mm Reifen, mit dem wir extrem wenig Luftdruck fahren können (je nach Gewicht zwischen 4,0 und 5,5 Bar). Je nach Fahrer benutzen wir auch doppeltes Lenkerband oder Silikonpads darunter. Dazu fahren wir auch eine andere Übersetzung, normalerweise ist 54/39 und 11-28 montiert, hier fahre ich 53/44 und 11-25. So möchte ich Kraft sparen, da ich damit viele Sektoren auf der kleinen Scheibe fahren kann. Außerdem ist auch ein zusätzlicher Schalthebel am Oberlenker montiert. Manche meiner Kollegen nutzen noch zusätzliche Bremsen, die ich aber nicht habe.
Wer ist Deiner Meinung nach Favorit? An wessen Hinterrad muss man sich halten?
Die Top 3 der Flandern Rundfahrt am vergangenen Sonntag sind mit Sicherheit die Topfavoriten. Aber auch diese Drei müssen ohne größere Probleme bis zur Rennentscheidung kommen. Ich denke, speziell bei diesem Rennen ist viel möglich, Favoriten bleiben aber Fabian Cancellara, Peter Sagan und Sep Vanmarcke.
Und welche Rolle will Bora-Argon18 dabei spielen?
Unser Ziel wird sein, in die Gruppe des Tages zu kommen, aber wir haben auch die Chance mit Scott Thwaites, Zak Dempster und mir wieder eine Top-Platzierung einzufahren.
Derzeit wird ja viel über Sicherheit während der Radrennen diskutiert. Wie sicher fühlst Du Dich im Peloton? Hat der tragische Unfall von Antoine Démoitié etwas an Deinem Sicherheitsgefühl verändert?
Es ist einfach so, dass wir nur eine bestimmte Straßenbreite zur Verfügung haben. Wenn Stress im Rennen herrscht und Positionskämpfe ausgetragen werden, dann wird diese Breite voll ausgenutzt. Dann hupt von hinten ein Motorradfahrer, der vorbei will, weil er fünf Kilometer weiter etwas absperren muss und deswegen unter einem gewissen Zeitdruck steht. Man selbst steckt vielleicht gerade in einem Zweikampf, der dazu noch am körperlichen Limit stattfindet, und ist darauf konzentriert, die Position zu halten. Da wird es zeitweise schon sehr eng und es entstehen Gefahrensituationen.
Man merkt aber, dass es jetzt ein bisschen anders läuft, zumindest hatte ich in Belgien das Gefühl, dass beidseitig mehr Rücksicht genommen wird. Vielleicht auch, weil es dort durchaus einige Alternativrouten gibt, auf denen die Motorräder das Feld überholen können.
Andreas, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast und viel Erfolg für morgen!
Du willst mehr über Andreas wissen? Hier geht’s zu seiner Homepage:
www.andreas-schillinger.de
Carolyn Ott-Friesl
Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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