Training für Frauen: warum klassische Trainingslehre und Zyklus (oft) nicht zusammenpassen

Zyklus. Immer noch ein Thema, bei dem man eher mal errötet, zur Seite blickt und schnell über was Anderes spricht. Leider. Denn gerade für Frauen, die Sport machen (und deren Trainer/innen), sollte der Zyklus kein Tabuthema, sondern vielmehr ein Parameter sein, nach dem das Training gesteuert wird. Aber warum ist das Thema „Training und Zyklus“ immer noch so vernachlässigt?

Radsport, eine ziemlich maskuline Veranstaltung

Beim letzten Lehrgang, den ich zur Auffrischung meiner Radsporttrainer-Lizenz besuchte, wurde es mal wieder ganz deutlich: 20 Männer, zwei Frauen. Der Radsport ist immer noch eine ziemlich maskuline Veranstaltung – zumindest in den Vereinen und im Leistungssport. Bei Jedermannrennen oder auch im nichtkompetitiven Bereich mag das schon wieder etwas (wenn auch nicht viel) anders aussehen, aber da, wo es um institutionalisierten Sport geht, ist die Sache ziemlich eindeutig.

Klar, dass da der Fokus auf Männer gelegt wird, sei es bei so oberflächlichen Dingen wie TV-Präsenz und Sponsoren, aber auch bei den tiefer gehenden Themen wie Trainingswissenschaft oder auch beim Umgang miteinander. Und klar, dass die meist männlichen Trainer mit dem Thema „Zyklus und Training“ nicht so richtig viel anfangen können.

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Dieser Beitrag soll daher ein Startpunkt sein für Sportlerinnen und Trainer/innen, die Frauen oder Mädchen trainieren.

Dinge wie Zyklus, Menstruation, Menopause und alles drumherum sind oft noch Tabu-Themen. Trotzdem finde ich es wichtig, darüber zu sprechen und zwar ganz offen. Ist doch was ganz Normales, oder? Schließlich hat so ungefähr die Hälfte der Weltbevölkerung damit zu tun. Also los!


Inhalt:

Rennrad Training Frauen Zyklus

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Ungleichgewicht in Medizin und Sport

Ähnlich wie bei meinem oben erwähnten Trainerlehrgang sieht das Geschlechterverhältnis in vielen anderen Sportarten und sportwissenschaftlichen und medizinischen Lehrstühlen aus. Wie in der Medizin gilt daher auch bei der Sportwissenschaft: Als Standard wird oft „der Mann“ genommen.

Das hat weitreichende Konsequenzen, vor allem in der Medizin, wo es mitunter auf Leben und Tod ankommt: Beispielsweise werden Herzinfarkte bei Frauen oft nicht erkannt, weil die Symptome anders sind als bei Männern – denn kommuniziert werden in der Öffentlichkeit und sogar im Medizinstudium vor allem die männlichen Symptome. Medikamente werden oft falsch dosiert oder angewendet, weil Männer als Standard genommen werden und es zur Wirkung bei Frauen schlicht keine Studien gibt.

Und auch in der Trainingslehre passen die Drei-zu-Eins-Blöcke für Männer, jedoch meist nicht für Frauen, wenn man Expert/innen zu diesem Thema glauben darf. Zumindest dann nicht, wenn man diese nicht auf den Zyklus anpasst.

Für mich persönlich klingt es sehr logisch und seitdem ich mich bewusst damit beschäftige, bestätigen sich viele Thesen in dem, was ich an mir selbst beobachte. Problematisch ist aber: Es gibt zum Thema „frauenspezifisches Training“ viel zu wenige wissenschaftliche Daten und Studien – geschweige denn, wenn man es auf einzelne Sportarten wie Radfahren oder Triathlon herunterbricht oder gar noch wissen möchte, wie es in Schwangerschaft oder Menopause aussieht.

Ist ja auch irgendwo einleuchtend – denn es ist natürlich viel aufwändiger, Frauen zu untersuchen, wenn es erst einmal unterschiedliche Zyklusphasen und dann noch unterschiedliche Lebensphasen wie die Menopause gibt. Da sind Männer mit ihrem vergleichsweise stabilen und berechenbaren Hormonspiegeln natürlich einfacher (und günstiger!) zu untersuchen. Dazu ist es ja auch so furchtbar unangenehm, über Periode und sowas zu sprechen. (So ein Quatsch!) Aber umso wichtiger ist es, sich dieser Unterschiede bewusst zu sein und Althergebrachtes einfach mal zu hinterfragen und zum Thema zu machen.


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Buchtipp „Peak Performance für Frauen“ von Dr. Stacy T. Sims

Ein Buch zum Thema Sport und Ernährung für Frauen ist von Dr. Stacy T. Sims. Sie ist Ernährungswissenschaftlerin, Sportwissenschaftlerin und ehemalige Hochleistungssportlerin aus den USA, die eine Pionierin bei der Forschung ist. Das Buch „Roar“* gibt es im Original auf Englisch und unter dem Namen „Peak Performance für Frauen„* inzwischen auch auf Deutsch.

Jedenfalls habe ich aus dem Buch und den darauf folgenden Recherchen für mich viele Erkenntnisse gezogen, die ich Euch gern weitergeben möchte. Wer tiefer einsteigen möchte, dem empfehle ich, das Buch einfach mal selbst zu lesen. Aber vielleicht findet hier die eine oder andere Sportlerin oder auch der oder die andere Trainer/in zumindest einen Ansatzpunkt, um sich stärker mit dem Thema zu beschäftigen, wie Frauen funktionieren und vielleicht anders trainieren müssten.

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Die Hormone können über das richtige Training entscheiden

Der große Unterschied zwischen Männern und Frauen liegt vor allem in den Hormonen. Während Männer durchgehend im Normalfall einen vergleichsweise recht stabilen Hormonspiegel haben, schwankt er bei Frauen je nach Zyklusphase sehr stark.

Es ist ein bisschen ironisch, aber: während wir menstruieren, sind wir Männern hormontechnisch am ähnlichsten. Der Körper versteht, dass es mit einer Schwangerschaft diesen Monat nichts wird und kann nun die Ressourcen wieder anderen Dingen als der Fortpflanzung zur Verfügung stellen.

In den ersten beiden Wochen des Zyklus, gerechnet ab dem ersten Tag der Menstruation, ist unser Hormonspiegel niedrig und wir sind am leistungsfähigsten (obwohl viele Profisportlerinnen sogar versuchen, mit Medikamenten ihre Periode zu verhindern und dabei manchmal alles viel schlimmer machen).

Ab dem Eisprung bis zur nächsten Blutung fahren die Hormone Achterbahn und das hat weitreichende Auswirkungen. Denn während dieser Zeit – vor allem in der Woche vor der Menstruation – kann beispielsweise…

  • die Regenerationsfähigkeit verschlechtert,
  • unsere Verletzungsanfälligkeit erhöht,
  • unser Temperaturmanagement verschlechtert,
  • die Körperkerntemperatur erhöht,
  • das Schmerzempfinden stärker und
  • unsere Fähigkeit, Fett zu verbrennen, beeinträchtigt sein.

Uff. Keine guten Voraussetzungen also für intensives Training oder gar Wettkämpfe. Und da haben wir noch nicht über die hormonell bedingten psychischen Auf-und-Abs gesprochen.

Das bedeutet: Intensive Einheiten oder auch wichtige Wettkämpfe sollten in den ersten beiden Zykluswochen stattfinden – oder zumindest möglichst nicht in den Tagen vor der Menstruation. Der Zeitpunkt kann den großen Unterschied machen zwischen „Hui, ich fliege“ oder „Heute die Handbremse drin und lässt sich nicht lösen“. Von daher ist es also auch gar nicht schlimm, wenn ein Wettkampf während Deiner Periode stattfindet. Vielleicht ist das für Deine Leistung sogar ziemlich vorteilhaft, wenn Du nicht gerade starke Beschwerden dadurch hast. (Falls das so ist: Lass‘ es abklären bei einem Arzt / einer Ärztin!)

Ich möchte aber nicht, dass Du diese Informationen als die absolute Wahrheit ansiehst. Denn das alles kann schon wieder anders aussehen, wenn Dein Zyklus beispielsweise einfach unregelmäßig ist (was völlig ok und normal sein kann!). Oder vielleicht spielen Deine Hormone genau so zusammen, dass Du auch in den Tagen vor Deiner Periode fit bist, dafür in einer anderen Zyklusphase die Beine schwer sind. Umso wichtiger ist es, Deinen Körper genau zu beobachten: wann bist Du fit, wann geht gar nichts voran? Versuche, MIT Deinen Voraussetzungen zu trainieren und nicht dagegen.

Nüchterntraining? Tu es nicht.

Nüchterntraining, Intervallfasten, Fasted Training, Fettstoffwechseltraining – das mag vielleicht in einem gewissen Umfang für sehr trainierte Männer (auch, wenn in verschiedenen Studien kaum Verbesserung des Fettstoffwechsels oder der Ausdauerleistung festgestellt werden konnte) oder sehr stark adipöse Menschen funktionieren . Für Sporteinsteiger und vor allem Frauen ist es nicht zu empfehlen, sondern könnte sogar die entgegengesetzte Wirkung haben. Frauen haben zunächst aus gutem Grund einen höheren Körperfettanteil – ohne diesen würde unser Zyklus nicht funktionieren. (Wenn Du schon länger keine Periode mehr hast aufgrund von viel Sport: Lass es ärztlich abklären, das ist nicht gesund!)

Ich hoffe es ist deutlich geworden, dass das Ausbleiben deiner Tage nicht in Ordnung ist. Lass dir auch durch Niemanden sagen, dass es das wäre und es nur durch das harte Training kommt. Es ist definitiv nicht okay und kann unschöne Konsequenzen haben.

Yvonne van Vlerken, tri-mag.de

Nüchterntraining ist vor allem für Frauen allerdings nicht sinnvoll, weil es erstens grundsätzlich die Infektanfälligkeit erhöhen und die Regeneration beeinträchtigen kann. Zudem erhöht Nüchterntraining den Cortisolspiegel, was den Hormonhaushalt und damit den Zyklus durcheinanderbringen und dazu führen kann, dass Fett eingelagert wird anstatt Fett zu verbrennen. (Das passiert übrigens auch bei vielen Diäten – denk‘ mal drüber nach.)


Regeneration

Ohne Regeneration bringt das beste Training nichts. Von daher ist es wichtig, dass die Erholung so optimal wie möglich läuft, damit Dein Training sich auch wirklich gelohnt hat.

Im Normalfall wird beispielsweise die Empfehlung gegeben, innerhalb von drei Stunden nach einem Training Protein und Kohlenhydrate zuzuführen. Wir Frauen müssen uns da etwas beeilen: Unser Fenster ist viel kleiner, wir haben nämlich nur etwa eine halbe Stunde nach der Belastung Zeit, Nahrung zuführen, um die Regeneration positiv zu beeinflussen. Das heißt: Nach dem Training nicht erst einmal duschen, kurz Füße hoch und irgendwann kochen. Sondern direkt einen proteinreichen Snack (speziell reichhaltig an Leucin – Soja möglichst vermeiden, denn Leucin ist dort vergleichsweise wenig drin) bereithalten.

Ernährung

Wie schon oben beim Nüchterntraining kurz angesprochen: Hungern hat insgesamt eher negative denn positive Effekte. Auch Low Carb oder Low Fat ist für Frauen keine empfehlenswerte Methode, um „Gewicht zu machen“.

Vielmehr brauchen wir viele Proteine, ohne aber Kohlenhydrate oder (gute!) Fette aus den Augen zu verlieren. Stacy Sims empfiehlt als grundlegende Aufteilung etwa 40% Kohlenhydrate, 30% Protein, 30% Fett. Je später der Tag, desto mehr Protein sollten wir zu uns nehmen, um so das Wachstumshormon HGH zu nutzen, das während des Schlafs von unserem Körper ausgeschüttet wird und für Muskelwachstum und Fettverbrennung Gold wert ist.

Was lernen wir daraus?

Das war natürlich nur ein Streiflicht auf die Thematik und meine eindrücklichsten Erkenntnisse, es gibt noch so viel mehr zu wissen.

Aber letztendlich ist es meiner Meinung nach gar nicht so wichtig, ganz genau zu verstehen, wann welches Hormon welche Wirkung hat. Aber es ist wichtig, den eigenen Körper kennenzulernen, den eigenen Zyklus zu verstehen und sich damit die Möglichkeit zu geben, die natürlichen Stärken zu nutzen.

Außerdem – und hier ein Appell vor allem an die Trainer/innen, die Jugendliche trainieren – ist es wichtig, Menstruation und Zyklus generell nicht länger als Tabuthema oder Mysterium zu betrachten. Es ist ein wichtiger Bestandteil dessen, wie wir Frauen funktionieren – warum sollte man das einfach ignorieren und die Chancen nicht nutzen? Es ist nichts, weswegen man sich schämen müsste – wir leben nur schon sehr lange in einer männerzentrierten Welt, in dem sogenannte „Frauenthemen“ immer noch als großes Tabu betrachtet werden – was für ein Schwachsinn!

Schließlich ist dieser Zyklus-Mechanismus ein ziemliches Wunder – ich meine: nur dadurch kann ein neues Lebewesen entstehen. Sogar ein männliches. 😛 Am Frausein ist nichts, wofür man sich schämen muss, an der Periode ist nichts ekelhaft und auch nach den Wechseljahren sind Frauen immer noch genauso weiblich wie vorher.

Beschäftigt Euch damit, wie Euer Körper funktioniert!

Redet darüber, tauscht Euch dazu aus, führt ein Zyklus-Tagebuch (handschriftlich, per App,…), wie Ihr Euch in welcher Phase fühlt und was ihr an Eurem Körper beobachtet. Redet mit Eurem/r Trainer/in darüber, wann Ihr Euch gut fühlt und wann eher nicht. So könnt Ihr lernen, wie ihr das meiste aus Eurem Training machen könnt, wann die intensiven Einheiten knallen und wann eher aktive Regeneration gefragt ist. So macht man es ja auch klassisch mit Puls und Co. – warum also nicht noch diesen wichtigen Faktor miteinbeziehen?

Wenn Du beobachtest, dass die klassische Trainingslehre für Dich optimal funktioniert, dann ist das toll – aber für alle, die sich schon einmal gefragt haben, warum das Training nicht so anschlägt wie gewünscht oder einfach ihren Körper besser verstehen möchten, für die ist es eine Chance, sich mit diesem Thema zu beschäftigen.

Bleibt wunderbar, hört auf Euren Körper und nicht immer auf alte Glaubenssätze. Dann ist schon viel erreicht und wir können noch viel besser werden als bisher.

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