Rennradfahrende Frauen: 5 Herausforderungen, die Männer (meistens) nicht kennen

Früher gab es mal die Überzeugung, das sportliche Radfahren sei schlecht für Frauen. Schließlich sei das ja viel zu anstrengend für die fragilen Damen, es fördere Onanie und Unfruchtbarkeit und dann gab es ja angeblich noch die Gefahr des gefürchteten „Fahrradgesichts“, denn der Gegenwind würde das Gesicht der Damen entstellen.

Natürlich alles Quatsch! Radfahren ist für alle eine tolle Sportart, egal für welches Geschlecht. Es schont die Gelenke, verbessert die Ausdauer und macht halt einfach glücklich, ODER? Trotzdem gibt es einige Herausforderungen, die so nur radfahrende Frauen erleben. Und nein, das soll keineswegs Gejammer oder Basis für Ausreden sein. Vielmehr möchte ich damit zeigen, dass Frauen, die Rennrad fahren, besonders heldenhaft sind, weil sie sich Herausforderungen stellen, die Männer (meistens) so nicht haben. Außerdem entpuppt sich so manche „Schwäche“ vielleicht sogar als Stärke…

Umso unglaublicher, dass Frauenradsport von vielen immer noch belächelt wird. Aber was solls. Was wir können, sollen uns die Männer erst einmal nachmachen! Denn die folgenden Probleme haben meistens nur wir.
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1. Schwankende Leistungsfähigkeit während des Zyklus

Jeden Monat vollbringt der Körper einer Frau einen echten Kraftakt. In der Erwartung, dass man ja jederzeit Nachwuchs produzieren können sollte, stellt sich der Körper alle ca. 28 Tage darauf ein, jetzt schwanger zu werden, trifft viele Vorkehrungen und schüttet haufenweise Hormone aus.

Dieser Kraftakt hat natürlich auch Auswirkungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit. (Warum Zyklus und klassische Trainingslehre oft nicht zusammenpassen, habe ich hier aufgeschrieben.) Während es bei Männern einfach auf die Tagesform ankommt, kann es bei Frauen sogar auf die Zyklusphase ankommen, wie fit sie an einem bestimmten Tag sind. Natürlich wirkt sich das von Frau zu Frau unterschiedlich aus, die eine reagiert mehr darauf und die andere weniger. Eine Studie zeigte, dass mehr als 40 % der untersuchten Athletinnen dadurch in ihrer Performance beeinträchtigt wurden. Sogar die Profisportlerinnen haben oftmals das Problem, dass der Zyklus bei wichtigen Rennen in die Quere kommt und die Topleistung nicht abgerufen werden kann.

Von solchen Erfahrungen berichtet auch die ehemalige Rennfahrerin Petra Rossner. Sie erinnert sich, dass sie am Tag vor der Blutung immer feste Beine hatte und zu Krämpfen neigte. Einen Tag später litt sie dann unter Schmerzen. „Und am zweiten und dritten Tag der Blutung hatte ich richtig gute Beine“.  Auch Profi-Fahrerin Claudia Häusler hat für sich festgestellt, dass es am ersten und zweiten Tag der Blutung nicht so gut läuft: „Am dritten Tag geht es dafür so richtig gut.“

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Ohnehin ist es bei den Profis manchmal der Fall, dass die Periode ganz ausbleibt, weil der Körper unter Dauerstress steht durch die hohe Trainings- und Wettkampfbelastung. Das sollte aber höchstens ausnahmsweise passieren – denn eine ausbleibende Regel weist auf einen gravierenden Mangel hin und sollte daher ärztlich abgeklärt werden.

Wenn es also mal nicht ganz rund läuft, dann nicht gleich verzweifeln. Vielleicht liegt es auch einfach an der Zyklusphase, dass die Beine nicht so wollen, wie man will. Und bei dem Thema haben wir noch gar nicht von den logistischen Problemen auf langen Fahrten während der Periode gesprochen…


♥🚲 Noch mehr Tipps, Tests und Geschichten rund um Frauenradsport? Hier entlang!


2. Alles pink! Und mit Blümchen! AAAAH!

Glücklicherweise gehören die Zeiten zum großen Teil der Vergangenheit an, in denen es unglaublich wenig Auswahl für Frauen gab im Radsportbereich, egal ob bei Rädern oder Bekleidung. (Super hilfreich zum Beispiel: Damenradhosen mit Lösungen für die Pinkelpause) Was mich aber immer noch oft ärgert: Während es für Männer vielfältige Designs gibt, müssen uns manche Hersteller die Blümchen, Schnörkel und pinken Ornamente aufs Trikot klatschen – sonst könnte man ja denken, das sei nicht für Frauen.

Manchmal heißt „Für Frauen“ auch einfach: bisschen kleiner, mehr Pink. Fertig.  Kann man schon so machen, ist halt dann kacke. Auf die Bedürfnisse von Frauen wird damit nicht eingegangen. Produkte werden oft an Frauen vorbei entwickelt – in der Fahrradbranche sitzen eben oft Männer am Hebel, wie Anna Weiß im Podcast „Antritt“ erwähnt hat. Also los geht’s, Ihr Frauen da draußen: Ab in die Bike-Industrie mit Euch, damit Ihr uns mit besseren und vielfältigeren Produkten versorgen könnt! Ich freu‘ mich jetzt schon drauf 🙂

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3. Hohe Wattzahlen sind für Frauen schwieriger zu erreichen

Die körperlichen Voraussetzungen von Männern und Frauen sind unterschiedlich – ja, ich weiß, das kommt überraschend. Aber genau diese Unterschiede sorgen dafür, dass es für Frauen meistens schwieriger ist, hohe Wattzahlen zu erreichen bzw. ist es aufgrund von mehr Körperfett auch in der Regel schwieriger, einen hohen Watt/kg-Wert zu erreichen.

Denn wenn wir so wenig Körperfett hätten wie die Männerprofis, würde das unsere Knochenstabilität und unsere Fruchtbarkeit bedrohen. Kohlenhydrate werden außerdem von Männern meist besser verwertet. Darüber hinaus haben Frauen signifikant weniger Hämoglobin im Körper und damit weniger Möglichkeiten, Sauerstoff über das Blut zu transportieren.

Aber jetzt kommt die dramatische Wendung: Wir Frauen können nämlich dafür oft länger als die Männer. Also treten. Denn unsere Voraussetzungen für Ausdauerleistungen sind oft besser als bei den Männern, denn einerseits sind Frauen oft kleiner und damit aerodynamischer und andererseits haben wir üblicherweise mehr Körperfett, was uns für längere Zeit Energie liefert, während wir gleichzeitig leichter sind und somit weniger Energie brauchen. Ha! Das dürfte übrigens auch Fiona Kolbinger zugute gekommen sein, die das Ultracycling-Rennen „Transcontinental Race“ über 4000 Kilometer mit einem Vorsprung von mehr als 200 Kilometern vor dem erstplatzierten Mann gewonnen hat.

Wobei es noch viel zu wenige Studien über die Leistungsfähigkeit von radfahrenden Frauen gibt. Auch in der Forschung gibt es also noch Nachholbedarf, das führt uns nämlich direkt zu einem weiteren Problem: Die meisten Trainingspläne sind auf die körperlichen Voraussetzungen von Männern ausgerichtet, obwohl Frauen anders trainieren müssten.



4. Teure Frauenräder mit billigen Komponenten

Leider ist mir das schön öfter aufgefallen: Zwei Räder, identische Komponenten, unterschiedliche Farbe, eins davon für Männer, eins davon für Frauen – da ist dann meistens das Frauenrad nochmal etwas teurer als das Männerrad.

Auch beliebt: gleicher Preis, dafür schlechtere Komponenten am Frauenrad.

Fürs gleiche Geld gibt es also oft weniger Rad für Frauen. Ganz schön fies. Ich habe mich schön öfter gefragt, was dahinter steckt. Die geringere Stückzahl? Der Glaube, dass die Frauen einfach weniger auf die technischen Details schauen? Ich weiß es nicht. Aber ich hab‘ mich jedenfalls schon oft geärgert, weil es einfach unfair ist.

Deswegen mein Tipp: Beschäftigt Euch mit den technischen Details, vergleicht und lasst Euch keinen teuren Schrott andrehen – sondern belohnt Hersteller, die ihre Preise ganz unabhängig vom Geschlecht fair gestalten. Hier hatte ich schon einmal einen Guide zum Rennradkauf geschrieben mit extra Tipps für Frauen.


5. Männer sind manchmal ein Problem

Nein, keine Angst, jetzt kommt kein Beitrag zum Vertiefen des Grabenkampfs zwischen den Geschlechtern und ich behaupte auch keinesfalls, dass Männer nicht ähnliche Probleme haben. Aber in meiner inzwischen doch langjährigen Erfahrung mit Radfahrern aller Leistungsstufen – die meistens männlich waren, schon allein aus Mangel an weiblichen Mitfahrerinnen – habe ich des Öfteren folgende Erfahrung gemacht (auch mit dem besten Mann der Welt): Mindestens einer (meistens sind es mehrere) ist dabei, der während der Gruppenausfahrt speziell der Frau direkt mal zeigen muss, wo der Hammer hängt.

Woran das liegt? Keine Ahnung. Vielleicht am Confidence Gap, nach dem Frauen einfach insgesamt (aus welchen Gründen auch immer) weniger Selbstbewusstsein haben, sich selbstbewusstere Männer zunächst mal mehr zutrauen und sich erst einmal behaupten müssen? Weil Männer einfach generell kompetitiver sind? Ich weiß es nicht.

Jedenfalls tut es als Frau auch mal sehr gut, mit Frauen zu fahren. Was nicht heißt, dass Ihr nie mit Männern mitfahren sollt – denn natürlich sind die meisten Männer ziemlich tolle Radpartner und ich habe bei den Männer-Gruppenfahrten viel gelernt. Also los, einfach ausprobieren!


Wie sind Eure Erfahrungen? Welche Herausforderungen gibt es noch und mit was haben exklusiv die Männer zu kämpfen? 🙂


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Carolyn Ott-Friesl

Seit fast 20 Jahren auf dem Rennrad unterwegs - nicht viel, nicht schnell, aber mit Leidenschaft. Seit 2014 Bloggerin auf Ciclista.net
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Meine Ausrüstung:
Helm* - Brille* - Bluetooth-Kopfhörer* - Radsportbekleidung* - Radsportcomputer*

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7 Gedanken zu “Rennradfahrende Frauen: 5 Herausforderungen, die Männer (meistens) nicht kennen”